„Kontrolle. Kontrolle. Sie hören ein Musikstück, in dem sich Forte- und Pianostellen abwechseln. Stellen Sie die Lautstärke so ein, dass die Fortestellen nicht zu laut und die Pianostellen nicht zu leise zu hören sind.“
Hat jemand schon einmal einen verrückteren Beginn einer CD gehört? Ich zumindest noch nicht. Selbst ein FRANK ZAPPA, dessen Geistes Kind auch irgendwie die zwei Berliner, der eine Kölner und der eine Leipziger von FFF zu sein scheinen, verblüffte schon mit den unterschiedlichsten Verrücktheiten, aber sowas?
Sowas macht neugierig. Allerdings nur diejenigen, die abseits jeglicher Radiohörgewohnheiten gerne immer wieder auf musikalische Entdeckungsreise gehen. Mit FFF stoßen sie beim Aussieben plötzlich auf ein kleines Goldstück, oder um bei dem vielfach verwendeten Bild von einem schwarzen Hasenkopf (z.B. oben rechts auf dem Cover) zu bleiben, auf ein bisher unentdecktes Osterei.
Suchen!? Suchen ist bei FFF angesagt. Als erstes sucht man auf der CD nach den Titelnamen der insgesamt 11 Stücke. Man findet sie nicht im Booklet, nicht auf der CD und nicht auf der Rückseite der Hülle. Manchmal sind sie ja auch erst unter dem Jewel-Case zu entdecken, wenn die CD aus der Hülle genommen wird. Auch hier Fehlanzeige. Erst wenn man die Hülle hochkant stellt, wird man fündig. Alle Titelangaben befinden sich auf der schmalen Seite anstelle des Albumtitels. Seltsam, seltsam – genauso seltsam wie die Musik und die Texte, die mal deutsch, mal englisch, mal russisch, mal französisch und im Extremfall sogar japanisch zum Besten gegeben werden.
Ähnlich vielfältig wie die Sprachen ist auch die Musik. Eigentlich müsste eine neue Kategorie dafür erfunden werden. Den ersten Versuch habe ich bereits in unserer Stammleiste bei „Stil“ unternommen, wobei mit „Krautrockige[r] Wiederbelebung der Neuen Deutschen Welle“ bei Weitem noch nicht das gesamte Klangspektrum umrissen ist. FFF selber suchen auch nach Definitionen und kommen zu der folgenden ungewöhnlichen Einordnung: „FFF ziehen ohne Gummistiefel, aber mit einer fragwürdigen Plattensammlung, durch den Gumpensund der Melodien, verlassen pfeifend die Trampelpfade des Klanggleichgewichts und besingen mehrsprachig ihre Abenteuer im Unterholz der Rohrsysteme und Kohleöfen.“ Wird man dadurch klüger? Beim Lesen solcher Worte wohl nicht, beim Hören der CD allerdings versteht man sie wie eine perfekte Übersetzung.
Auf „Fernwaerme“ treffen die RHEINGOLDschen Dreiklangdimensionen im POLARKREIS 18 auf die STERNE der TOCOTRONIsChen Hamburger Schule, um beim großen KRAUTROCK-Treffen der vielfältig gesampelten Gegenwart sich auf eine zappaeske Zukunft voll die KANTE zu geben. Hierbei ist jede noch so verrückt erscheinende Idee zulässig, wobei besonders in alten DDR-Schallplatten gewildert wird, egal, ob das nun eine AMIGA-Einführungs- und Testplatte von VEB Deutsche Schallplatten, ein Harfenkonzert, eine LP mit „Gymnastik zur Lockerung und Entspannung“, eine FRÖSI (DDR-Kinderzeitschrift) Schallfolie mit Worten von JURI GAGARIN oder eine chinesische Flöte ist. Verrückt schön ist das alles. Wahrscheinlich aber wird es nach dem ersten Hördurchgang bei vielen verwunderte Verunsicherung hinterlassen, die sich von mal zu mal in neugierige Begeisterung wandelt.
Aus meiner Sicht sind FFF eine Entdeckung am Himmel deutscher Musikkunst, abgefahren und anspruchsvoll, ironisch und zugleich ernst, nostalgisch und doch total modern. Selten entdeckt man Ähnliches und wenn, dann nur durch überraschende Zufälle.
Viele solcher Zufälle gibt es wohl heutzutage nicht mehr und wenn ich verdammt lange nachdenke, fällt mir höchstens eine ebenso unbekannte Größe der Extraklasse auf. Auch die wildern in anspruchsvollen Neue-Deutsche-Welle-Gefilden mit herrlichen Texten und abgefahrener Musik im Stile von FOYER DES ARTS oder DAF. Übrigens heißen sie OFELIA & UZRUKKI und haben gerade mit „Turnschuh“ einen bedeutenden Videopreis errungen und allein der Name ihres ersten Albums ist mehr als beachtenswert und aussagekräftig: „Wir haben keine Aussage, wir wollen bloß, dass die Leute eine gute Zeit haben, damit sie sich am nächsten Tag wieder global agierenden Konzernen dienstbar machen können.“ Verrückt?! Eher genial, oder?
Nunmehr hätten wir bereits zwei Bands für unsere neue Schublade namens „Krautrockige Wiederbelebung der Neuen Deutschen Welle“ – und ich würde mir wünschen, dass sich noch eine Vielzahl solch kreativ-innovativer, deutscher Musiker hier einordnen ließe. Ein Anfang ist gemacht, bleibt nur zu hoffen, dass eine F(ortsetzung)FF(olgt)!
FFFAZIT: Deutschland hat noch Ideen, auch wenn die nicht gefragt sind. Trotzdem blitzen sie immer wieder auf, auch in der Musik und lassen sich keine Grenzen setzen, weil sie grenzenlos gut sind. Wir brauchen endlich wieder mehr „FFFFernwaerme“, damit wir selbst in Zeiten, in denen sich uns eine geborene Wessi-Tante als Ossi-Kanzlerin verkauft, den „global agierenden Konzernen“ unseren anspruchsvollen Stinkefinger zeigen können!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.11.2009
Thorsten Drössler
Roman 946
Falk Buchröder, Roman 946
Guido Karnstedt
Roman 946 (Akkordeon), Thorsten Drössler (Samples)
Eigenvertrieb
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10.10.2009