Braucht man eigentlich noch großartig ein Review, wenn auf einem Album der erste Song nach dem Dramatik-Intro "Keep It True" heißt? Zumindest die Stilbeschreibung kann man sich da fast sparen und wenn der US-Metal-Kenner dann noch zur Kenntnis nimmt (falls er es nicht eh schon lange weiß, da der Bandname schon ein paar Jahre durch die Szene geistert und auch schon eine 3-Track-EP von 2007 existiert), dass es sich bei FAITH FACTOR um die neue Band von Norm "Ski" Kiersznowski, dem ehemaligen Sänger der Underground-Legende DEADLY BLESSING, handelt, wandern die Gedanken automatisch ehrfürchtig in die 80er zum Klassiker (und den bisher einzigen richtigen Longplayer der Band) "Ascend From The Cauldron", den der inzwischen kahlköpfige Stimmakrobat mit seinem sirenenartigen Gesang veredelt hat.
Die an "Against A Darkend Sky" geknüpften Erwartungen waren im Metal-Underground dementsprechend hoch - gepaart mit einer gewissen Unsicherheit, die die Kenntnis mit sich bringt, dass Ski frühere Titel wie "Deliver Us From Evil" heutzutage wesentlich ernster nimmt und seinen christlichen Glaube inzwischen offensiv auslebt. Die Befürchtung, dies könnte sich abgesehen von den teilweise deutlichen Lyrics auf irgendeine negative Art auf die Musik ausgewirkt haben, erweist sich aber auf Anhieb als unbegründet. Die Song-Preisung des Keep It True-Festivals, auf dessen 11. Auflage die Truppe kürzlich auch einen hervorragenden Eindruck bei den Anwesenden hinterlassen hat, leitet ein Album ein, das mit kraftvollem Power Metal bestückt ist. Der prägnante, hohe Gesang des Bandleaders steht dabei wie erwartet deutlich im Mittelpunkt, auch wenn dieser nicht mehr ganz so flächendeckend schrill zur Sache geht wie vor 20 Jahren und sich auch mal in etwas tieferen Lagen bewegt. Etliche amtliche Screams (die wie üblich die Gemüter spalten werden) bekommt man bei Nummern wie dem schnellen "The Rapture" oder "In God´s Shadow" aber natürlich trotzdem ausreichend geboten.
Im direkten Vergleich zu DEADLY BLESSING sind FAITH FACTOR stilistisch weniger progressiv angehaucht (auch wenn die Band und/oder das Label den Begriff 'Progressive Power Metal' gewählt hat) und agieren im instrumentalen Bereich mehr aus dem verstärkten Rückraum; zumal der Sound bezüglich Gitarren und Schlagzeug etwas zu dumpf und defensiv ausgefallen ist. Größtenteils bewegen sich die Songs dabei im stampfenden Midtempo - eine richtig schnelle Speednummer mehr hätte dem Album bestimmt gut getan (vielleicht anstelle des eher unscheinbaren "Divine Temptations"), gerade mit der Vorstellung an einen ungezügelten Ski. Dafür gilt es, sich an solch hymnischen Nummern wie "Armor Of God" zu erfreuen, während episch getragenes wie "In Remembrance" für die nötige Abwechslung sorgt. Und etwas vertrackter wird es dann doch noch beim fast 12-minütigen "Ascend Unto Heaven", einer der intensivsten und vielschichtigsten Metalsongs der letzten Zeit, bei dem auch Ski nochmal zur Höchstform aufläuft.
Kleines Manko noch zum Abschluss: Das akustische "Sinner Prayer" ist ein gesprochenes Gebet, das dann doch viel zu missionarisch rüberkommt und ganz sicher nicht auf der CD hätte landen müssen.
FAZIT: Die frühere Großtat bleibt unerreicht, ganz klar - wobei man natürlich nicht vergessen darf, dass es sich hier trotz der Prägnanz des Sängers nicht um DEADLY BLESSING handelt (die seit zwei Jahren mit anderem Sänger auch wieder aktiv sind) - dennoch dürfte Ski und seinen Mannen der Segen der meisten Headbanger sicher sein. Eine gehaltvolle Andacht für die Power-Metal-Gemeinde.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.01.2009
Joe Manghan
Ski
Chris Matusieski, Blaine Booth
Chris Matusieski
Dan Jefferson
Retroactive Records
54:25
19.12.2008