Um es gleich vorwegzunehmen: GEIST liefern mit ihrem dritten Album „Galeere“ ihr Meisterstück ab. Nach dem Doppelschlag „Patina“ (2005) und „Kainsmal“ (2006) ließen sich die Deutschen drei Jahre Zeit und haben währenddessen nicht nur neues Material geschrieben, sondern auch kräftig am Besetzungskreisel gedreht: Neu in der Band sind Hedrykk und Larva B. Caneer an den Gitarren und Faruk am Keyboard. Ihre Identität haben GEIST nicht aufgegeben, vielmehr ihr intensives Songwriting verfeinert und mit „Galeere“ nicht weniger als ein Highlight des atmosphärischen Black Metals abgeliefert.
Maritime Themen sind im Metal zwar kein Standard, aber auch keine Einzigartigkeit mehr. IN EXTREMO widmeten „Mein rasend Herz“ dem salzigen Element und AHAB vertonten auf „The Call Of The Wretched Sea“ den „Moby Dick“-Klassiker im Funeral-Doom-Gewand. Das Meer liefert mit seiner Einsamkeit, seinem wilden Charakter oder wahlweise auch bleiernen Ruhe einen weiten Themenkreis für dunkle oder triste Themen. GEIST machen sich diese Tatsache zunutze und liefern ein beklemmendes musikalisches Glanzstück ab, das zugleich verstörend und erhaben in seiner Wirkung ist.
Dunkle Ambient-Passagen, Paukenschläge, Morse-Zeichen und knarrende Segel setzen atmosphärische Akzente, ohne die Tracks in endlosen Sound-Spielereien zu ersticken - Kern des Albums sind immer noch die Songs. Dabei schreiten GEIST dramatisch und majestätisch, verbinden rasende Melodie mit stampfender Heavyness. Faszinierend, wenn über wüster Double-Bass eine todlangsame Gitarrenmelodie schwebt und doomig Verschlepptes auf’s Schifferklavier stößt („Einen Winter auf See“). GEIST beleben ihr Genre, das oft vom exzessiv zelebrierten Stoizismus lebt, mit Abwechslung und vielschichtigem Songwriting, ohne dabei von Szenegängern als Verräter beschimpft werden zu müssen. Die Band kann sich auch ein mitreißend ohrwürmeliges Riff wie bei „Helike“ leisten, ohne in die Mainstream-Ecke gestellt zu werden.
Die Vocals sind abgründig, die Texte trotz ständigen Growlens verständlich intoniert. Beim Hören glaubt man sich in Dan Simmons Roman „Terror“ versetzt, bei dem es um die Franklin-Expedition auf ihrer Suche nach der Nordwestpassage geht und die Schiffe der Expedition im Eis stecken bleiben, um dort namenlose Schrecken zu erfahren. Thematisch geht „Galeere“ zwar andere Wege, nichtsdestotrotz kommt dieses Album Simmons Roman an beklemmender Intensität gleich. Den krönenden Abschluss bildet das über fünfzehn Minuten lange „Unter toten Kapitänen“, das mit Tiefsee-Soundscapes, unverzerrten Gitarrenklängen und großartig gesprochenen Passagen eingeleitet wird, bevor knochenbrechend die Verzerrte dazu stößt. Es ist spannend, wenn GEIST hier beinahe unmerklich ein ganz und gar nicht schwarzmetallisches Rock-Riff einstreuen ohne den Fluss des Songs zu stören. Die elegischen Gitarrensoli tragen mehr Seele in sich als die meisten Clean-Gesänge anderer Bands.
FAZIT: Atmosphärischer Black Metal, der diese Bezeichnung auch verdient. GEIST spielen intelligent, ohne Prog zu sein und sollten dennoch Menschen ansprechen, die nicht ausschließlich Black Metal hören. Eindeutige Kaufempfehlung!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.04.2009
Alboin
Cypher D. Rex
Hedrykk F. Gausenatt, Larva B. Caneer
Faruk
Marlek
Lupus Lounge
51:10
02.05.2009