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Reviews

Gov't Mule: By A Thread

Stil: Jam- & Blues-Rock

Cover: Gov't Mule: By A Thread

Das lange Warten hat ein Ende: Das neue GOV'T MULE Album "By A Thread" ist endlich bei uns angekommen - wie immer war's eine schwierige Geburt und verzögerte sich ein ums andere Mal. Nun ja, Haynes & Co. vertreiben bekanntlich über ihre Website offizielle Bootlegs ihrer Konzerte in zumeist bestechender Qualität. Davon lässt es sich vortrefflich leben, da (fast) jeder "Nickel and Dime" in die eigene Tasche wandert. Ist ja auch ein schöner Service für den Fan: Gestern Abend im Konzert gewesen und übermorgen den Download-Link im virtuellen Briefkasten und das wird auch leidlich genutzt. Natürlich mindert diese Geschäftspolitik auch den Druck, seine Brötchen mit neuem Studiomaterial verdienen zu müssen. So sind jetzt drei Jahren vergangen, seit das letzte "richtige" Studioalbum erschienen ist.... und "By A Thread" ist für mich der legitime Nachfolger des 2006er "High & Mighty". Groß und mächtig war dieses Album und "By A Thread" ist ein ebensolches Monument, mit dem Potenzial für ein ganz großes Album.

Warren Haynes, der alte Fuchs, ist bekanntlich immer für eine Überraschung gut. Die beiden Reggae-Scheiben nach "High & Mighty", die die in den US sehr populäre Jamband-Szene bestens bedienen und unterhalten konnte, spalteten hierzulande die MULE-Fans ziemlich genau in der Mitte. Es hagelte gewaltig Kritik, die allerdings an MULEs Mastermind locker abperlte. Der Mann weiß genau, was er will, geht stur und unbeirrbar seinen Weg. Einer wollte da wohl nicht mehr mitgehen. Bassist Andy Hess, der Nachfolger des ungemein beliebten, leider viel zu früh verstorbenen Allen Woody, trennte sich kurz vor dem Aufnahmeprozess zu "By A Thread" von GOV'T MULE. Sein jazzig angehauchtes Spiel passte sowieso manchem Fan nicht so recht in den Kram. Nun ist mit Jorgen Carlsson ein Basser dabei, der laut Warren Haynes eindeutig in "Woody's" Spuren wandelt. Einer, der wie dieser den Bass auch einmal in unnachahmlicher Weise knurren lässt. 'Back to the roots' also nach den experimentellen Alben der letzten Jahre? Yesssss, so isses! Allerdings überrascht Haynes erneut, diesmal mit einigen Songs die über Singer/Songwriter-Qualitäten verfügen. Der Mann weiß nun einmal, was er will und zieht das auch hartnäckig durch...

"By A Thread" ist ein knorriges, sperriges Werk geworden - ein Ebenbild des Schöpfers: Warren Haynes, ohne jetzt die Leistungen vor allem von Matt Abts (Drums) und Danny Louis (Keyboards) schmälern zu wollen. Der Einfluss des neuen Bassers, Jorgen Carlsson, ist noch nicht endgültig abschätzbar. Sie alle haben bei einer Handvoll Songs mitkomponiert - Produktion und Mixing ließ sich Haynes allerdings erneut nicht aus den Händen nehmen und: Er hat es ja auch einfach 'drauf. Nach langer Durststrecke präsentiert sich dem Schreiber dieser Zeilen endlich 'mal wieder ein Album, das sich langsam öffnet. Eines, das den Hörer fordert und sich mit jedem Durchgang mehr entfaltet. Genau wie ein hochkarätiger Rotwein, der sich entwickeln muss, um dann über ein enormes Alterungspotenzial zu verfügen.
Zwei Songs müssen wohl noch vor Andy Hess' Ausstieg entstanden sein: "Scenes From A Troubled Mind" und das nachdenkliche "World Wake Up", beide am Ende von "By A Thread" platziert. Die Hess'schen Phrasierungen sind deutlich herauszuhören und überhaupt hätten beide Songs auch aus der "High & Mighty"-Phase stammen können. "Scenes..." ist ein typischer, verspielter MULE-Track mit überraschenden Tempiwechseln. "World Wake Up" ist - wie es der Titel bereits suggeriert - ein Weckruf an eine Welt am Abgrund, still und eindringlich.
Aber beginnen wir am besten mit dem Einstieg in das Album, dem mörderisch scharfen "Broke Down On The Brazos". Kein anderer als BILLY GIBBONS könnte solche "bad-ass"-Riffs spielen. Warren Haynes hat Billy's Parts auf die rechte Seite der Boxen gelegt, während er selbst "über links kommt". Beim musikalischen Schlagabtausch der Beiden verteilt Haynes reichlich "Zuckerbrot" während Gibbons die "Peitsche" knallen lässt. Dieser knarzige, rumpelige Song wird garantiert beste Live-Reaktionen hervorrufen und ein neuer Klassiker werden, ohne da jetzt über spezielle hellseherische Fähigkeiten verfügen zu müssen.
Aber, was ist das? "Steppin' Lightly" beginnt mit Reggae-Rhythmen und bei manchem werden sicherlich unwillkürlich unangenehme Erinnerungen an GOV'T MULEs Reggae-Album "Mighty High" wach. Keine Sorge, Freunde! Es bleibt bei einem kurzen Ausflug - "Steppin' Lightly" rockt richtig anständig ab. Ein altes Folk-Traditional "Railroad Boy" ist von den vier Maultier-Bändigern gewaltig umarrangiert worden. Nach einem Americana-inspirierten Intro entwickelt sich ein entspannter Rocksong, der in der Instrumentierung tatsächlich interessante Assoziationen mit einem dahinrollenden Zug vermittelt. "Monday Mourning Meltdown" ist erneut ein typischer, sperriger, ja klotziger MULE-Track, der mit einem jazzig-angehauchten Mittelteil aufwartet. "Gordon James", diese text-zentrierte Ballade, überrascht erneut mit seinen Singer/Songwriter-Anleihen. "Any Open Window", knorrig wie eine Eiche, setzt die Punktierungen immer wieder auf die "und", was für eine enorme Schubkraft sorgt. So ganz scheinen Mr. Haynes und Mr. Louis ihre Reggae-Phase allerdings noch nicht überwunden zu haben, denn "Frozen Fear" verdreht des Hörers Haare - je nach Länge - zu gewaltigen Dreadlocks ;-)) Nun, einen Reggae-Song pro Album kann man allerdings bequem verkraften. Auch das stille Liebeslied "Forevermore" beginnt songwriter-typisch mit einer Akustischen und steigert sich in einen formidablen Rocker. Die Übernummer von "By A Thread" ist - da ist sich mein gesamter Freundeskreis einig - ganz klar der "Inside Outside Woman Blues #3". Eine Wah-Wah-Orgie durchzieht diesen ungemein druckvollen Slow-Blues von vorne bis hinten. JIMI HENDRIX wird da oben auf Wolke 7 wahre Freudentänze vollführen, wenn er dieses Monument von einem Song hören wird. Wegen genau solcher Hammer-Songs verehre ich mein geliebtes Maultier...

FAZIT: GOV'T MULEs neues Studioalbum "By A Thread" erhält - und das war irgendwie vorhersehbar - meine erste 15-Punktewertung hier bei MUSIKREVIEWS. Warum die höchste Punktzahl, die wirklich ausgesprochenen Meisterwerken vorbehalten bleiben sollte? Die Songs sind vielschichtig und mehrdimensional. Auch nach dreißig und mehr Hördurchgängen entdeckt man immer wieder neue Finessen und überraschende Momente. Dies macht für mich ein "großes" Album aus - "By A Thread" ist so eines... richtig "High & Mighty". Respekt!!!

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In eigener Sache: Ein derart großartiges Album kann man nicht "statisch" bewerten. In einigen Wochen, Monaten, Jahren wird man zwangsläufig manches anders hören und bewerten. Ich werde deshalb in unregelmäßigen Abständen einige Updates vornehmen.

Punkte: 15/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.11.2009

Tracklist

  1. Broke Down On The Brazos
  2. Steppin' Lightly
  3. Railroad Boy
  4. Monday Mourning Meltdown
  5. Gordon James
  6. Any Open Window
  7. Frozen Fear
  8. Forevermore
  9. Inside Outside Woman Blues
  10. Scenes From A Troubled Mind
  11. World Wake Up

Besetzung

  • Bass

    Jorgen Carlsson

  • Gesang

    Warren Haynes

  • Gitarre

    Warren Haynes

  • Keys

    Danny Louis

  • Schlagzeug

    Matt Abts

  • Sonstiges

    Gäste: Andy Hess (Bass on # 10 and 11) Billy Gibbons (Guitar on # 1), Gordie Johnson (Vocals on # 10)

Sonstiges

  • Label

    Provogue

  • Spieldauer

    68:18

  • Erscheinungsdatum

    28.10.2009

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