Warum war dieser Band aus Hannover eigentlich keine große Zukunft beschieden? HARLIS brachte alle Voraussetzungen mit, die nicht nur den Erfolg auf dem heimischen Markt gerechtfertigt hätten. Neben den individuellen musikalischen Fähigkeiten bestach vor allem das kompositorische Geschick der Musiker. HARLIS wurde von den Szeneblättern Sounds und Musikexpress in den höchsten Tönen gelobt. Nach nur zwei - jeweils großartigen - Platten kam es 1978 zu einem Streit mit der Plattenfirma Sky Records und in der Folge dem völlig unspektakulären Ende der Band. Der "Krautrock" war zu dieser Zeit bereits im Niedergang, u.a. ausgelöst durch die Revolution des Punk, und so krähte diesen ambitionierten Bands letztendlich kein Hahn mehr nach. Dass in der heutigen JANE-Besetzung immerhin drei HARLIS-Mitglieder zu finden sind, ist eine interessante Fussnote der deutschen Musikgeschichte.
Nach dem beachtlichen Debüt und dem darauf enthaltenen kleinen Hit "BMW" wartete der 1978er Nachfolger "Night Meets The Day" mit einem anspruchsvollen Konzept auf. Das damals revolutionäre Kunstkopf-Aufnahmeverfahren ermöglichte quasi "dreidimensionale" Musikeindrücke, die bei der Nutzung von Kopfhörern voll zur Geltung kamen. HiFi-Kenner schwärmten seinerzeit vom Kunstkopf-Sound - in der breiten Masse war diesem allerdings kein großer Erfolg beschert, denn nur absolute Soundfreaks setzten sich damals Kopfhörer zum Musikhören auf.
Der Plot dieses Konzeptalbums ist schnell erzählt: Ort der Handlung von "Night Meets The Day" ist eine einsame Leuchtturminsel im Ozean auf der ein Seemann lebt, der Frau und Kinder für ein Leben auf See verlassen hatte. Der Seeman avanciert zum Piratenkönig. Durch das Ausschalten des Leuchtturmlichtes bei Nacht werden Schiffe in die Irre geleitet und stranden an diesem Eiland. Die spanische Armada bereitet diesem Treiben ein vernichtendes Ende.
Die Musik von "Night Meets The Day" ist sehr symphonisch angelegt, was natürlich vor allem den beiden Komponisten, Keyboarder Wolfgang Krantz und Gitarrist Arndt Schulz, zuzuschreiben ist. Wolfgang Krantz legt dabei mit seinen polyphonen Synthesizern die damals sehr populären Soundteppiche, auf die Arndt Schulz mit einer sehr bemerkenswerten Gitarrenarbeit eindrückliche Akzente setzt. Die Texte hat Drummer Werner Löhr verfasst, der zudem als einer der Lead-Sänger fungiert. Hierbei hinterlässt Bassist Charly Maucher eindeutig den besseren Eindruck. Seine rauchige Stimme passt einfach besser ins Piraten-Konzept, zumal Löhr bei der Artikulation doch arg "deutschelt". Die einzelnen Songs möchte ich jetzt bewußt nicht "auseinander nehmen", was bei einem Konzeptalbum ohnehin etwas schwierig ist. Unbestreitbar ist der exzellente Bezug der einzelnen Songs zueinander. Die Stimmungsbögen sind perfekt gewählt, der Sound ist (mit Kopfhörern) überwältigend und obendrein rockt "Night Meets The Day" wie die sprichwörtliche Sau. Meine Anspieltipps sind: "Shipwracked Stranded", "King Of The Pirates" und "Endless Sea".
FAZIT: Nicht zu unrecht ist Sireena Records stolz auf ihre erste CD im Kunstkopfverfahren, die sie mit HARLIS' "Night Meets The Day" präsentieren können. Verpackt wurde das Ganze wieder einmal in ein wunderschönes Digipack mit einem wertigen Booklet. Soundfreaks und "Krautfans" werden angesichts diese längst vergessene Krautrock-Perle mit der Zunge schnalzen. Mehr von solchem Stoff, liebe Sireena-Leute...
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.09.2009
Charly Maucher
Werner Löhr, Charly Maucher
Arndt Schulz
Werner Krantz
Werner Löhr
Sky Records / Sireena Records
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01.09.2009