Nanu, da liebäugelt doch jemand mit PORCUPINE TREEs „Fear Of A Blank Planet“? Keine Sorge. Hier geht es nicht um depressive, mondsüchtige Kinder, sondern um eine der kultigsten Progressive-Rock-Bands der „Zweiten Generation“: IQ.
„Zweite Generation“ deshalb, da man ja bekanntlich das Wort „Neoprog“ nicht mehr in den Mund nehmen darf. Die Rede ist von Bands, die, wie die damaligen MARILLION oder PENDRAGON, Mitte der 80er Jahre den klassischen Symphonik-Sound von GENESIS wieder aufleben ließen. Als der Rest der Welt entweder im billigen Synthie Pop oder in schlecht produziertem Thrash Metal zu versinken drohte, hielt eine kleine Bruderschaft von eingeschworenen Prog-Bands die Blase der 70er aufrecht. Plötzlich drangen zwischen den Plastiksounds wieder Mellotron und E-Orgel hindurch, ausgedehnte Stücke wurden wieder geschrieben und Einhörner und Drachen kehrten wieder auf die Plattencover zurück. Es war das erste, richte Progressive-Rock-Revival.
Ungefähr 25 Jahre später, anno 2009: Die alten Heroen von MARILLION dümpeln in dünnen Atmo-Gewässern herum („Happiness Is The Road“), PENDRAGON wenden sich dem New Artrock zu („Pure“) und von ARENA hat man schon lange nichts Konkretes mehr gehört. Und auch IQ sind in den letzten Jahren durch zahllose Line-Up-Wechsel gegangen. Der Ur-Schlagzeuger der Band, Paul Cook, verließ IQ im Jahre 2005 (nur um 2009 als deren Live-Schlagzeuger wieder zurückzukehren). Ebenso Martin Orford, der mit seinem letzten Studioalbum noch einmal für Gesprächsstoff gesorgt hatte. An seiner Stelle trat schließlich Mark Westworth von DARWIN’S RADIO.
Müßiggang war für IQ aber ausgeschlossen, also arbeitete die Band an neuem Material, welches auch Live „erprobt und getestet“ wurde. Bereits vorab gab es ein Schmankerl für Fans, die sich bei den Konzerten eine „Tour-CD“ ergattern konnten – inklusive Demos, Remixes und ein paar der neuen Songs.
Nun erscheint schließlich das komplette, neue Studioalbum „Frequency“ nach dem `04er Meisterwerk „Dark Matter“. Es ist ein deutlicher Beweis, dass es IQ geschafft haben, ihrem Sound treu zu bleiben und gleichzeitig ein gewisses Niveau zu halten. Den anhänglichen Geist von GENESIS werden die Jungs wohl nie abschütteln, aber inzwischen wagt es kaum einer mehr, dies groß zu hinterfragen.
Das Album beginnt mit dem Titeltrack. Es wird der übliche Bombast zelebriert, die Gitarren sind deutlich härter (ohne gleich „metallisch“ zu wirken). Es gibt Breaks, Mellotrons en masse, schöne Gitarrensoli und einen eingängigen Refrain. Jawohl, „Frequency“ erfüllt die Voraussetzungen für einen guten Opener – er macht Lust auf mehr!
„Life Support“ beginnt zunächst furchtbar kitschig (darauf sollte man aber eingestellt sein), doch dafür wird man im Mittelteil mit einem atmosphärischen Sechssaitersolo verwöhnt. Ein herrlich quietschiger Moog löst Michael Holmes ab und führt das Thema wieder zu seinem Ursprung zurück. In diesen Momenten beginnt man zu verstehen, warum IQ immer noch so beliebt unter Proggern sind, denn im instrumentalen Bereich lässt diese Band ihre Genre-Kollegen weit hinter sich zurück.
Der folgende Longtrack „Stronger Than Friction“ dreht zuerst den GENESIS-Regler bis zum Anschlag auf, bekommt im Mittelteil nochmal ordentlichen Drive und mündet in einem netten Outro. Positiv fällt das dynamische Schlagzeugspiel von Andy Edwards auf, der ursprünglich bei der ROBERT PLANT BAND gespielt hatte. Das sonst im Neoprog weit verbreitete 4/4-Gekloppe können IQ glücklicherweise vermeiden.
„One Fatal Mistake“ ist schließlich der unvermeidliche Durchhänger. Eine schnulzige, langweilige Ballade. SKIP.
Direkter Fade-In zu „Ryker Skies“. Ein Science-Fiction-Epos im Stile von ELOY. Klingt gut und ist lange nicht so lahm, wie beispielsweise die aktuellen MARILLION-Ergüsse. Satte Orgelsounds und schwebende Soundscapes, sowie cleane Gitarren werden gekonnt untermalt von Nicholls unauffälliger aber angenehmer Stimme (es ist letzten Endes immer noch besser als so manches Gequake anderer Prog-„Sänger“).
„The Province“ gab es bereits als Appetizer auf der „Tour-CD“. Der letzte Longtrack des Albums baut wieder gehörig Spannung auf. Das Hauptthema des Songs führt einen aggressiven Dialog mit einem Riff, das viel zu offensichtlich von GENESIS’ „Return Of The Giant Hogweed“ übernommen wurde. Das allerdings wieder mit spürbar gestrafften Zügeln. Wer hätte gedacht, dass eine Neoprog-Band so heftig rocken könnte? Der Bogen wird über die 13 Minuten immer weiter gespannt. Jeder der Protagonisten spielt sehr songdienlich, vereinzelte Solopassagen passen perfekt in das Kompositionsgefüge. Schließlich folgt das obligatorische Finale mit Bombast an allen Ecken und Enden. Dieser Track weiß zu gefallen...
Zum Schluss greift die Band noch einmal tief in die Schmalz-Kiste. Das 8 minütige „Closer“ ist mir persönlich etwas zu süßlich und zu lang geraten.
IQ wandeln, genauso wie alle anderen Prog-Bands der „Zweiten Generation“, auf einem schmalen Pfad zwischen AOR-Kitsch und progressivem Anspruch. Dafür schafft es „Frequency“ (bis auf „One Fatal Mistake“ und „Closer“), sich zwischen diesen beiden Extremen einzupendeln. Der Sound ist allgemein sehr keyboardlastig, kann dies aber mit einer guten Rhythmusfraktion und schönem Gitarrenspiel ausgleichen. Die klare Produktion tut ihr Übriges.
FAZIT: Nach „Dark Matter“ stellte sich für IQ-Fans die Frage, ob sie ihr „verspätetes Meisterstück“ noch einmal toppen könnten. Die Antwort: Jaein. Das neue Album hat eigentlich nicht unter den personellen Wechseln gelitten (im Gegenteil), erreicht die Klasse des Vorgängers trotzdem nicht ganz. Nichtsdestotrotz bleiben IQ immer noch die Alten. Wer sich also nach reinrassigem Sympho-Prog im modernen Gewand sehnt, macht bei „Frequency“sicher nichts falsch. Fans der Band dürfen wie immer getrost zugreifen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.05.2009
John Jowitt
Peter Nicholls
Michael Holmes
Mark Westworth
Andy Edwards
InsideOut Music / SPV
62:02
22.05.2009