Wenn sich Musiker der (meist) geschätzten FLAMBOROUGH HEAD, KING EIDER, NICE BEAVER zusammen tun, sollte man meinen, ein überaus ansprechendes Album käme dabei heraus. Leider muss man der obigen Liste noch das PINK FLOYD PROJECT hinzurechnen. Dem entstammt der Sänger Jos Harteveld, vielleicht die größte Crux des Debütalbums der niederländischen Band LEAP DAY. Nasal, wenig intonationssicher und mehr als einmal neben der Tonspur liegend, löst er je nach Befinden Bedauern, Befremden oder Gelächter aus. Allein die vielfach gesungene Phrase der „frozen expressions“, die bei Harteveld klingt wie „frohßen expreschenss“ lässt schaudern. Sehr, sehr lieb gestimmt, erinnern die Vocals an Max Werner von KAYAK. Nach einem Tritt ins Gemächt.
Doch auch die Musik kann nicht wirklich punkten. Der Wille, großartigen Neoprog zu zelebrieren ist vorhanden – vor allem im Infosheet, das ernsthaft verkündet, LEAP DAY hätten ein Album kreiert, das an die Musik von „Spock’s Beard, The Flower Kings, Porcupine Tree, IQ, Arena and more classic bands like Yes, Genesis and Camel“ erinnern soll. Irgendwen vergessen? GENTLE GIANT, PENDRAGON, DREAM THEATER, KING CRIMSON und VAN DER GRAAF heben wir uns wahrscheinlich für’s Folgealbum auf.
Spaß beiseite – mit viel gutem Willen bleiben IQ und CAMEL als Referenzpunkte übrig. Allerdings in so weiter Entfernung, dass man zum Erkennen bereits ein Fernglas braucht. Näher dran liegen tatsächlich FLAMBOROUGH HEAD und die bereits erwähnten KAYAK. Aber auch dieser Vergleich fällt nicht zu Gunsten LEAP DAYs aus.
Neben dem gar schröcklichen Gesang, lässt der höhenbetonte, flache Sound zu wünschen übrig, die Gitarrensoli klingen oft alles andere als flüssig, die Keyboards legen sich zwar mächtig ins Zeug, verpuffen aber gerne aseptisch im Beiläufigen. Genreimmanent gibt es ein paar hörenswerte Stellen, meist gelungene dramatische Steigerungen wie den Schluss des ansonsten wenig überzeugenden Openers „When Leaves Fall“. Wenn Harteveld bloß die Klappe halten würde...
Das folgende „What Would You Do“ klingt dann allerdings auch, als ob die Band genau dies nicht wüsste. Eine halbwegs begabte Schülercombo probt den Neoprog für einen Auftritt auf dem Abi-Ball.
Bei aller Sympathie für’s noch so hässliche Entlein, „Awaking The Muse“ gelingt es bei weitem nicht die Muse zu wecken. Stattdessen bekommt sie schreckliche Alpträume von Musikern, die verzweifelt versuchen, besser als ihre zahlreichen Vorbilder zu klingen, stattdessen aber lediglich im spärlich besuchten Progrock-Discounter an der Ecke eine klamme Nische einnehmen.
FAZIT: Als Pendant zur obigen Kritik empfehle ich Daniel Eggenbergers Review auf www.proggies.ch, der „Awaking The Muse“ tatsächlich beinahe zum Meisterwerk verklärt. So viele Ohren können eigentlich gar nicht abfallen, dass dies gelingt. LEAP DAY haben ihre Momente; „Eyes Wide Open“ ist schlicht großartig, hier passt selbst der Sound, vor allem beim knackig kurzen Bass-Solo. Für „Sandgrains“ gilt ähnliches. Eddie Mulder lässt seine Gitarre endlich mal swingen und nicht hacken. Mehr Songs dieser Kategorie und LEAP DAY steigen ohne Umschweife von der Regional- in die Bundesliga auf. Auch der „Secret Gardener“ birgt viel Gefühl und Gespür für’s bewegende Drama in sich. Wird aber unterminiert durch’s nölende Sängerchen und einen Text, der jeden Landschaftsgärtner mit der chemischen Keule auf’s Tapet ruft („Sun And Rain Give Perfect Flowers“. Schön zu wissen.).
Das ist nicht tragisch, aber zumindest traurig, denn die versammelte B-Prominenz hätte das Potenzial, einen kleinen holländischen Hüttenkäse für die proggige Ewigkeit zu präsentieren. Stattdessen ein grenzwertiges, mäßig produziertes Etwas, das sich so gerne toll finden möchte, aber vor lauter „sürregät männekinns“ vergisst, dass der Horizont sich jenseits der Scheibe befindet, die der Blick auf’s eigene Wirken trübt.
Haltet lieber Ausschau nach dem kleinen, unterschätzten, nichtsdestotrotz vortrefflichen KING EIDER-Werk „Somateria Spectabilis". Dort ist all das zu finden, was „Awaking The Muse“ so gerne möchte, aber nicht leistet. Wenn ihr euch die CD trotzdem kauft, sagt nachher nicht, ich hätte euch nicht gewarnt. Wenn sie Euch gefällt, schickt ein freundliches Dankeschön an Daniel Eggenberger und reißt der Voodoopuppe mit meinem Antlitz die Ohren ab.
Gemeint sind übrigens „surrogate Mannequins“. Zu finden direkt neben der Brotsuppe in Tüten.
Erhältlich via www.justforkicks.de
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.09.2009
Peter Stel
Jos Harteveld (LV), Gert van Engelenburg, Eddie Mulder, Derk Evert Waalkens
Eddie Mulder, Jos Harteveld (acc.)
Gert van Engelenburg, Derk Evert Waalkens
Koen Roozen
OSKAR / Just For Kicks
55:41
04.09.2009