LITTLE FEAT, die Nennung dieser Band kommt für mich immer noch einem gewaltigen Gongschlag gleich. Wenn ich an deren glorreiche 1970er Jahre denke, beginne ich in Superlativen zu schwelgen. Gänzlich unbeeindruckt übrigens von dem traurigen Tonmaterial, mit dem uns die Band seit der Gründung ihres eigenen "Hot Tomato"-Labels zuschüttet. Der Output dieser glanzvollen Dekade ist für mich nach wie vor ein Monument - eindrucksvoll verbunden mit einem Namen: LOWELL GEORGE. Ich habe diesen Mann zutiefst verehrt: Seine Lebensweise, immer "straight on the edge" - seine Art, Songs zu schreiben - seinen seelenvollen Gesang - seine einzigartige Weise, die Slide-Guitar zu spielen. Bis heute ist Lowell für mich gemeinsam mit DUANE ALLMAN der größte Slide-Gitarrist, der jemals über diesen Planeten wandelte. LITTLE FEAT und LOWELL GEORGE sind für mich eine untrennbare Einheit und deshalb tue ich mich auch mit den neueren Alben der Band extrem schwer. Man muss aber zugestehen, dass LF eine Band mit sechs Köpfen war und demzufolge ein Fortbestehen nach Lowells viel zu frühem Tod nachzuvollziehen war und ist.
Die Anfänge von LITTLE FEAT lagen im Jahr 1966, als sich Lowell George mit Richie Hayward (Drums), Martin Klein (Guitars) und Martin Kibbee (Bass) zusammentat und THE FACTORY gründete. Sie alle waren stark von Frank Zappas MOTHERS OF INVENTION geprägt, und die Musik auf dem einzigen Album "Lightning Rod Man" war demzufolge zappaesk schräg - ein Nebenprodukt der Flower-Power-Ära. Zu gerne wäre Lowell George Sänger und Gitarrist bei den "Mothers" geworden, doch Frank Zappa ließ ihn zappeln ;-)) und verlangte quasi als Mitgift für Lowells Einstieg dessen Song "Willin'" für die M.O.I. Dazu war George nicht bereit, schmiss den Bettel hin und gründete mit dem alten FACTORY-Mitstreiter Richie Hayward sowie Bill Payne (Keys) und dem Ex-"Mother" Roy Estrada (Bass) LITTLE FEAT. Der Name war ein Wortspiel: George wurde von Zappas Drummer wegen seiner kleinen Füße (Feet) gehänselt - FEAT bedeutet "Heldentaten", wird aber genau wie "Feet" ausgesprochen - kleine Heldentaten! Was für ein trefflicher Name für diese außergewöhnliche Band!
1973 kam es zu einer großen Umbesetzung der Band, einem so genannten "großen Wurf". Roy Estrada kehrte zu den MOTHERS OF INVENTION zurück und wurde durch Kenny Gradney am Bass ersetzt. Paul Barrere kam als zweiter Gitarrist hinzu und sollte später -zusammen mit Payne- das Heft in die Hand nehmen. Der Percussionist Sam Clayton komplettierte das neue Sextett und ermöglichte komplexere Rhythmen. Lowells Einfluss wurde zwangsläufig eingeengt. Mit "The Last Record Album" und vor allem "Time Loves A Hero" übernahmen Payne/Barrére zunehmend das Kommando, zumal Lowell zeitgleich die Kontrolle über seinen Kokain- und Whiskey-Konsum verlor. Nach einer Therapie meldete sich dieser 1977 zurück...
Die erste Rockpalast Nacht vom 23. auf den 24. Juli 1977 war erstklassig besetzt - nur das Line-up vielleicht etwas unglücklich gewählt. Der ungekrönte Held des Abends, RORY GALLAGHER, spielte gleich zu Beginn. Dann folgten LITTLE FEAT, bevor ROGER MC GUINNs THUNDERBYRDS den Schlusspunkt setzten. Ich kannte keinen, außer meiner isolierten Wenigkeit, der seinerzeit von dem Auftritt LITTLE FEATs irgendwie beeindruckt gewesen wäre. Zu spröde prallte ihre Show an den kalten Mauern der Essener Grugahalle ab. Der mörderische Groove, ein Markenzeichen LFs, wollte einfach nicht zünden. Das Publikum taute zu keinem Zeitpunkt so recht auf, was sich die Kalifornier allerdings selbst zuzuschreiben hatten. Viel zu gering war die Interaktion mit den Fans.
Soweit die Reaktionen aus meinem Freundeskreis - ich dagegen, beinharter LF-Fan seit dem 1973er Album "Dixie Chicken", hatte einfach nur Freudentränen in den Augen... und die Dinger werden beim Anschauen dieser Rockpalast-DVD unweigerlich wieder feucht. Konnte ich doch meinen (Time loves a) Hero, LOWELL GEORGE, nur zweimal zu Lebzeiten erleben. 1979 starb der Mann an den Folgen seiner langjährigen Süchte und stieß mich daraufhin in tiefste Depressionen...
Der Einstieg in das Set ist äußerst unglücklich gewählt: "Skin it back" ist mit seinen vertrackten Rhythmen zwar wunderschön, aber garantiert kein Song, der das Publikum auf die Füße bringen könnte. Warum nicht einen Track vom Kaliber eines "Easy to slip"? Es folgt eine Paradenummer LITTLE FEATs, "Fat man in the bathtub", die aber auch etwas verkrampft 'rüberkommt. Sollten die Filmkameras und das Bewusstsein, dass halb Europa zuschaut, Lowell George & Co. doch beeindruckt haben? Auch der fetzige Rock'n'Roller "Oh Atlanta", von Bill Payne mit zahlreichen gesanglichen Aussetzern vorgetragen, sorgt nicht dafür, dass endlich der Knoten platzt. Dies gelingt erstmals ausgerechnet mit der Jazz-Rock-Nummer "Day at the dog races", bei der man dies nicht gerade erwarten würde. Erstmals an diesem Abend agieren LF spannungsgeladen und "tight" - erstmals groovt die Rhythm-Section in gewohnter Weise. Lowell kehrt hüpfend auf die Bühne zurück, nachdem er diese während des ungeliebten "Dog races" verlassen hatte, offensichtlich reichlich zugedröhnt und siehe da: Plötzlich stellt sich dieser magische LITTLE FEAT-Zauber ein. Das sehr tanzbare "All that you dream" wird zum großen Befreiungsschlag der Show und erstmals brandet auch stärkerer Beifall aus dem Publikum auf. Paul Barréres "Old folks boogie" und das noch stärkere "Dixie chicken" zeigen sechs hoch konzentrierte Musiker, die sich in traumwandlerischer Sicherheit die "Bälle zuspielen". Barréres Strat und Georges Slide liefern sich äußerst inspirierte Duelle. Traditionsgemäß geht "Dixie chicken" nahtlos in den mörderisch groovenden "Triple face boogie" über. Die Zugabeforderungen des Publikums fallen zwar nicht überschwänglich aus, bringen LITTLE FEAT aber dennoch zu drei (!!) Zugaben zurück auf die Bühne.
Ja, und dann kommt diese unglaubliche "Feats don't fail me now"-Nummer, die alleine die Anschaffung dieser Rockpalast-DVD rechtfertigt - eine gospelartige Jam-Session, die das Publikum seinerzeit aber offensichtlich überforderte. Der Country-Song "Willin'", auf den Frank Zappa seinerzeit so scharf war, ist bekanntlich DER LF-Song schlechthin - hier in einer genial-schrottigen Version dargeboten. Und weil die Band gerade so gut drauf ist, und in den 70ern die Veranstalter noch wesentlich lockerer waren als heutzutage, spielen die Jungs gleich noch schnell ihren damals brandneuen Knaller "Rocket in my pocket" hinterher. Diese Textzeile sollte mein gesamtes späteres Leben noch gewaltig prägen: "My music was hot, but my Baby was not...." ;-))
FAZIT: Mit dem Bonusmaterial von den Proben ergibt sich ein ordentliches Päckchen Musik. Die Ton- und Bildqualität ist nach heutigen Maßstäben nicht mehr akzeptabel, das muss man schonungslos konstatieren. Aber wer fragt denn schon ernsthaft bei solchen Perlen der Musik-Historie nach solchen Kleinigkeiten?! Für Fans ist diese "Rockpalast"-DVD natürlich Pflicht - alle anderen sollten schon etwas Mut und Experimentierfreude vor dem Kauf empfinden.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.09.2009
Kenny Gradney
Lowell George, Paul Barrére, Bill Payne, "alle" Background-Vocals
Paul Barrére, Lowell George
Bill Payne
Richie Hayward
Sam Clayton (Percussions)
Eagle Vision
ca. 100:00
04.09.2009