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Lynyrd Skynyrd: God & Guns

Stil: Southern Rock

Cover: Lynyrd Skynyrd: God & Guns

Wenn Du glaubst, Deine große Liebe gefunden zu haben, dann ist im schlimmsten Fall die Enttäuschung grenzenlos. "Music was my first love and it'll be the last" sang mir seinerzeit JOHN MILES aus dem Herzen und ich liebte "meine" Helden nahezu grenzenlos. Drei Namen stehen da bei mir ganz oben LITTLE FEAT, die ALLMAN BROTHERS BAND und... ja, LYNYRD SKYNYRD. Nachdem FEAT bereits seit Jahren altersschwächeln, der ABB scheinbar auch frisches Blut nicht mehr weiterhilft, liefern jetzt LYNYRD SKYNYRD den letzten Beweis, dass sie entbehrlich geworden sind. Sechs Jahre lang kreiste nun der Berg, um endlich die sprichwörtliche Maus zu gebären...

"God & Guns" ist ein Anachronismus - warum, erklärt vielleicht eine kleine Zeitreise. Am 20. Oktober 1977 starben Ronnie Van Zant, Cassie und Steve Gaines sowie der Roadmanager Dean Kilpatrick beim Absturz des Flugzeuges, das die Band anlässlich der "Street Survivors"-Tour angemietet hatte. In den Sümpfen Louisianas starb damals auch der Spirit SKYNYRDs und ein Mythos wurde geboren. Zehn Jahre später, 1987, fanden sich die wahrhaftigen "Street Survivors" mit Ronnies Bruder Johnny als Sänger wieder "on the road" ein. Zunächst fand sich jahrelang kein Plattenlabel, das in New Wave- und Sleaze Metal-Zeiten das Wagnis einer Southern-Rockband auf sich genommen hätte. Es folgten zwei enttäuschende Studio-Alben, bis sich Ende der 90er mit Rickey Medlocke und Hughie Thomasson endlich wieder eine Formation gefunden hatte, die es mit den Original-SKYNYRDs aufnehmen konnte. "Twenty" und vor allem "Edge Of Forever" waren wieder überzeugende, starke Scheiben. Allerdings blutete die Band durch eine beispiellose Todesserie bis zum heutigen Tag nahezu aus. Allen Collins (1990), Leon Wilkesson (2001), Hughie Thomasson (2005), Billy Powell und Ean Evans (beide 2009) starben. Das Ende vom Lied: Einzig Gary Rossington ist vom alten Stamm noch dabei - ausgerechnet der von dem man immer annahm, er wäre der Erste, der sich tot saufen würde... und der gute Gary ist nur noch ein Schatten seiner selbst.
Wie sehr SKYNYRD tatsächlich ausgeblutet ist, verdeutlicht die Tatsache, dass man für "God & Guns" mit John "5" Lowery, Bob Marlette, Jeffrey Steele und sogar noch der verblichene Hughie Thomasson (im Titeltrack) externen Sachverstand beim Songwriting "einkaufen" musste. Ein Armutszeugnis für eine Band, die die Klassiker früher reihenweise 'rausgehauen hat.
Seit dem schwachen "Vicious Cycle"-Album 2003 ist wenig passiert, außer dass Zeit vergangen ist. Geld verdienen mit letztendlich beliebig austauschbaren Musikern war angesagt. Gott sei Dank hat man mit KID ROCK einen riesigen Fan, der SKYNYRD die Möglichkeit einräumt, wenigstens als Support noch einmal in riesigen Arenen spielen zu dürfen. Auch die Karibik-Kreuzfahrt, zynischerweise "Simple Man Cruise" getauft, ist ein Selbstläufer - wozu also noch irgendwelche kreativen Reserven herauskitzeln?
Wenn man den lieben Mammon als Triebfeder des skynyrd'schen Schaffens ausmacht, weiß man schon ziemlich genau, wie es "musikalisch" weitergehen könnte: Zunächst wird es eine "God & Guns Live"-CD, dazu eine Live-DVD und eine DeLuxe-Box gleichen Titels geben. Silvester/Neujahr wird wieder ein "Simple Man Cruise" veranstaltet. KID ROCK nimmt die Herren im nächsten Jahr wieder Huckepack auf US-Tour... und wenn Gary Rossington (an dessen Überleben die Namensrechte hängen!!!) bis dahin nicht gestorben ist, vielleicht in fünf oder sechs Jahren wieder einen lauen Aufguss von "God & Guns". Völlig unrealistisch erscheint dieses Szenario nicht...

Zu "God & Guns" braucht man erschreckender Weise wenig Worte zu verlieren. Unsterbliche Songs wird man vergeblich suchen, einzig die erste Single "Still unbroken" lässt etwas von der alten Klasse aufblitzen. Aber bereits die zweite Auskopplung, "Simple Life", ist an Beliebigkeit kaum zu überbieten. Dazu kann bestenfalls noch der Titeltrack "God & Guns" einigermaßen an "Still unbroken" anknüpfen. Drei mittelprächtige Songs hat es noch, die zu gefallen wissen, aber alles andere als originell sind: "Little thing called you", "Skynyrd Nation" mit einem glänzend aufgelegten Rickey Medlocke sowie "Floyd". Dann wird es zappenduster - der Rest ist einfach nur noch ärgerlich. Ob jetzt gähnende Langeweile wie in der triefigen Ballade "Unwrite that song" [ja, das hätten sie wohl besser getan!] oder der hundertste Abklatsch von altbekanntem Kram, wie "Storm", ist eigentlich einerlei. "Comin' back for more" fluppt mainstreamig-aalglatt ins Ohr und auch gleich wieder 'raus. Widerwärtig ist die Botschaft von "That ain't my America". Die Dummheit der Aussagen dieses Textes hat man seit der medialen Abwesenheit "Dabbeljuh" Bushs bestimmt nicht vermisst. Naja, den minderbemittelten Nerv der beinharten US-Redneck's wird dieser Song punktgenau ins Mark treffen. Über den traurigen Rest legen wir den Mantel des gnädigen Schweigens...

FAZIT: "God & Guns" befindet sich auf einem ähnlich schwachen Niveau wie "Vicious Cycle", dem letzten Rundling LYNYRD SKYNYRDs. In dieser Verfassung möge man uns alten Fans bitte weitere Veröffentlichungen ersparen. Mit solch' altbackener Ware wird man ohnehin keine neuen/junge Fans dazu gewinnen können. Mehr als sechs Punkte kann ich "God & Guns" nicht verleihen und die auch nur, weil die Produktion keinerlei Schwächen aufweist.
Also SKYNYRD: Es ist Zeit für die Rente! Solange uns solche wahnwitzigen Southern-Rocker wie die NEW SOUL COWBOYS und Konsorten bedienen, brauchen wir ohnehin keinen 347sten Aufguss von "Free Bird" oder "Sweet Home Alabama".

Punkte: 6/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.09.2009

Tracklist

  1. Still Unbroken
  2. Simple Life
  3. Little Thing Called You
  4. Southern Ways
  5. Skynyrd Nation
  6. Unwrite That Song
  7. Floyd
  8. That Ain't My America
  9. Comin' Back For More
  10. God & Guns
  11. Storm
  12. Gifted Hands

Besetzung

  • Bass

    Robert Kearns

  • Gesang

    Johnny Van Zant

  • Gitarre

    Gary Rossington, Rickey Medlocke, Mark Matejka

  • Keys

    Peter Keys

  • Schlagzeug

    Michael Cartellone

  • Sonstiges

    Carol Chase, Dale Krantz-Rossington (Backing Vocals)

Sonstiges

  • Label

    Roadrunner Records / Loud and Proud

  • Spieldauer

    49:57

  • Erscheinungsdatum

    25.09.2009

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