Junge Eltern kennen das: kleine Jungs wollen zeitweise unbedingt Feuerwehrmann werden. Als sie von den Eltern dann rote Spielzeugautos geschenkt bekommen, ist es plötzlich ganz cool, Pilot zu sein. Also her mit den Modellflugzeugen zum nächsten Geburtstag. Da schreit der Junge aber bereits nach einer Gitarre. Rockstar will er sein. Wie Bon Scott. Zumindest an diesem Tag. Morgen könnte jemand anderes die Heldenrolle ausfüllen...
M.A.D. präsentieren Rockmusik in einer Form, die eigentlich verboten gehört: als Schnapsidee. Im nicht nachvollziehbaren Stilwechsel schleppen sich die vier Ingolstädter durch ein zusammenhangsloses Repertoire an Heavy Metal- und Hard Rock-Spielarten, die vor allem mit großen Ampere-Einheiten am Verstärker protzen sollen. Verzerrt, grunzig und oldschoolig muss es sein. Dieser Prämisse wird alles untergeordnet, letztlich auch die klare Linie.
Da wäre zum Auftakt “Don’t Sell Your Soul”, das mit seinem stampfenden Schlagzeugrhythmus (man sieht den Sänger förmlich mit dem rechten Bein im Takt auftreten) bereits alle Hard Rock-Klischees in sich vereint und die eigene Note der Band zu diesem frühen Zeitpunkt ins Nirwana verbannt, was bei einer halbwegs ambitionierten Coverband halb so wild wäre.
Das Fatale ist aber, dass sich M.A.D. keineswegs als Coverband oder gar Klamaukband im Stil von J.B.O. oder KNORKATOR verstehen. Oder vielleicht tun sie’s doch (Der Name des Frontsängers, J.S. Bach, klingt auf forcierte Weise leicht größenwahnsinnig), sind musikalisch den Originalen aber zu ähnlich, um parodistisch zu wirken.
“For Crown And Ring” ist nur artwork- und titeltechnisch dem MANOWAR-Erbe zuzurechnen (allenfalls die Idealformen männlicher Brustmuskelanatomie fehlen zur makellosen Mimikry), songtechnisch jedoch nur zu Prozentsätzen. Stattdessen wird das Raster mit haufenweise wilder Eigenkompositionen gesprengt. Die Platte ist gewissermaßen voller positiver Eigenschaften, nämlich wild, abwechlsungsreich, griffig, im Berechenbaren unberechenbar. Und doch ist sie ein totaler Reinfall.
Spätestens auf “Night Crawler” wird klar, wohin Sänger Jochen Bach strebt. Einmal so sein wie Bon Scott. Sein positiv-aggressives Beschwören des Titelsongs im Chorgewand legt sich reimend als Schicht auf das Vermächtnis des ehemaligen AC/DC-Leaders, der einst im Refrain ganz ähnlich mit “Night Prowler” das legendäre “Highway to Hell”-Album beschloss. Und natürlich bewegt sich Bach mit seiner Gesangstechnik in Bon Scott-Sphären, ohne sich damit jedoch von unzähligen Epigonen gleicher Qualität zu unterscheiden.
Wie aus heiterem Himmel folgt der Titeltrack, mit ihm eine Ode an Stahl und Ehre, das MANOWAR-Vermächtnis im Single-Pack, das kurioserweise beginnt wie MICHAEL JACKSONs “Thriller”, weitergeht wie eine TENACIOUS D-Verarsche und schließlich ankommt im stolzen Ritterlande, immer an der Grenze zur Parodie. Man achte dazu auf die letzte Tonlage des Sängers, die aber eben noch nicht ausreicht, um das Ganze wirklich unernst zu nehmen.
Und dann? “Movin’ On” hat was von simpel-hymnischen EVANESCENCE- und LACUNA COIL-Stücken. Kein Scherz. “Mr. Wannabe” dreht die Knöpfchen in der BON JOVI-Discografie, um in die “Keep The Faith”- und “These Days”-Zeiten zurückzukehren, mitsamt seines Saloon-Feelings samt Schweiß, Bier und einzeln angetippter Klaviernoten.
“The Warrior” bewegt sich wieder in die MANOWAR-Schnittmenge, und dass wir inzwischen einen “Long Hard Road” beschritten haben, müssen uns die Mannen gar nicht so deutlich im Wechselstrom-Gleichstrom-Stil unter die Nase reiben. “Bad Boy Boogie” hat man auch schon mal irgendwo gehört (ja wo noch gleich?) und wieso dann mit “Nutbush City Limits” das TINA TURNER-Cover eines Songs folgt, in dem sie ihren Geburtsort besingt, bleibt auch ein Rätsel, zumal dem Stück nicht wirklich Neues abgewonnen wird. Die Roadie-Ballade als Grande Finale muss dann natürlich auch noch sein.
FAZIT: Eigentlich keimt in der ersten Hälfte die Hoffnung auf, eine Trashgranate par Excellence zu erleben. Der von vorne bis hinten total willkürliche Streifzug durch die Geschichte des Hard Rocks fördert einige witzige Momente zutage, die in einzelnen Songs ebenso aufgehen wie in den absurden Stilwechseln. Denen folgt man über die ersten fünf Stücke noch recht gerne: Die handwerklichen Fähigkeiten der Beteiligten sind solider Durchschnitt, während das fehlende Feingespür für Musik und Gefühl mit Elan und Spielfreude ausgeglichen wird. In der zweiten Hälfte einigt man sich dann aber doch auf garantiert inspirationsfreien Hardrock der alten Schule, der weder “unter die Haut geht” (Zitat Promozettel) noch anderweitig berührt, sondern allenfalls die Augenlider verbleit.
Punkte: 4/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.06.2009
Andreas Laubmeier
Jochen S. Bach (Lead Vocals), Robert Mayer, Willi Hagn, Andreas Laubmeier, Bobby Altvater (Backing Vocals)
Robert Mayer
Armin Woods
Willi Hagn
Chris Haller (Saxophon auf "Nutbush City Limits")
7Hard
48:06
19.06.2009