Mit ihrem Debüt "Hoffnungsschimmer" aus dem vergangenen Jahr machten NACHTGESCHREI bereits viele Fans von Mittelalterrock auf sich aufmerksam und wollen nun mit ihrem aktuellen Album "Am Rande der Welt" daran anschließen.
Das erste Lied "Fiur" ist ein instrumentales Stück, das nach einem schönen Intro akustischer Gitarren typische Melodien von Dudelsack und Drehleier hervorbringt und später mit druckvoll untergemischten Gitarren ein wahres Feuer verursacht. Doch NACHTGESCHREI agieren hier nicht nur musikalisch auf einer authentischen Ebene, sodass man sich um 500 Jahre zurückversetzt fühlt, sondern bringen mit "Fiur" sogar das althochdeutsche Wort für Feuer mit ins Spiel.
Genauso glaubwürdig ist auch der zweite Song. "Muspili" ist eine althochdeutsche Dichtung aus dem 9. Jahrhundert, worin der Weltuntergang durch Feuer beschrieben wird. Doch als der Sänger Hotti seinen ersten Einsatz bekommt, gefällt es mir nicht mehr so gut. Vielleicht liegt es daran, dass ich allgemein kein großer Freund von deutschsprachiger Musik bin, vielleicht hat Hotti aber auch einfach eine eigenartige Klangfarbe. Ansonsten ist "Muspili" aber ein guter, treibender Titel.
"Herz aus Stein" kann mit seinen Worten "Am Rande der Welt, wo jeder Schleier fällt" im ersten Pre-Chorus wohl als Titelsong des Albums gezählt werden. Die Strophe ist clean gespielt, der Refrain fetzt, die Zwischenparts sind melodisch von Dudelsack und Drehleier dominiert.
Innerhalb des gesamten Albums bleiben NACHTGESCHREI ihrem Stil treu (warum jedoch im fünften Track mit "Niob" ein Ausflug in die griechische Mythologie gemacht wird, ist fragwürdig). Sie schaffen Songs, die – egal ob schnell oder langsam, ob hart oder weich – das Potential besitzen den Hörer mitzureißen, so richtige Kracher sind aber leider nicht dabei. Textlich orientieren sie sich dabei an gewohnten Thematiken des Genres – ein bisschen Krieg hier, ein wenig Mystik dort.
Der Gesang erinnert allerdings stark an Reinhard Mey und gefällt mir persönlich überhaupt nicht, deswegen bleibt mein Favorit der Scheibe das instrumentale "Fiur".
FAZIT: NACHTGESCHREI sind wie auf ihrem Vorgängeralbum sehr authentisch. Ein eingefleischter Fan der Musikrichtung kann hier keinen Fehlgriff machen. Wer sich aber wegen Reinhard Meys gewöhnungsbedürftiger Stimme nie von dessen lyrischen Qualitäten überzeugen konnte, sollte lieber vorsichtig sein.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.03.2009
Oli
Hotti
Hotti, Tilman, Sane
Stefan
Joe (Drehleier, Akkordeon), Nik (Dudelsack, Flöte)
Massacre Records
46:39
20.03.2009