Es war eine kleine Sensation als anno 1995 die Portugiesen MOONSPELL die Weltbühne des Metal betraten. 14 Jahre später sollen ihre Landsmänner OBLIQUE RAIN laut Promozettel nun das beste Album abliefern, welches jemals aus Portugal kam.
Die künstlerischen Voraussetzungen sind zweifelsfrei gegeben. Flávio Silva ist ein Sänger mit beeindruckendem Stimmumfang, vom honigsüßen Gesäusel bis teuflischem Gebrüll hat er alle Nuancen parat, die Gitarren sind verspielt und melodiös, manchmal aber auch beinahe unpassend laut und brutal, das Drumming ist perfekt und tight, also kann eigentlich nichts schiefgehen. Oder?
Doch. Auch wenn alle Mitglieder von OBLIQUE RAIN klassisch ausgebildete Musiker sind, gelingt es ihnen doch nicht aus dem Schatten ihrer offensichtlichen Vorbilder namens ANATHEMA und AMORPHIS herauszutreten, Bands denen es beinahe mühelos gelingt, emotionale Songs zu schreiben, die mitreißen oder mitleiden lassen, die Gefühl besitzen und transportieren. OBLIQUE RAIN fehlt es aber genau an dieser Fähigkeit, die Melancholie und Traurigkeit, die sicherlich auch in ihrer Musik steckt, erinnerbar in Töne zu fassen, ihre technische Perfektion steht ihnen oft selbst im Weg. Noch ein Ton mehr hier und eine Schleife dort macht trotzdem keine gute Melodie, die im Ohr bleibt und auch die Fähigkeit, Töne im Gesang fehlerfrei zu treffen, vermittelt nicht annähernd soviel Gefühl wie jeder leicht schiefe Ton, den ein Vincent Cavanagh von sich gibt, während im Hintergrund das Drumset poltert.
Nichts desto trotz haben auch OBLIQUE RAIN ihre Momente, als Beispiel sei hier „Absent Awry“ genannt, da stimmt auf einmal die Mixtur, aber diese Momente sind leider rar und erinnern einmal mehr an ANATHEMA zu seligen „Eternity“-Zeiten.
FAZIT: „October Dawn“ ist ganz sicher aus Musikerperspektive keine schlechte Scheibe, aber das Quintett frönt doch sehr offensichtlich seiner Liebe zu bekannten Namen, an erster Stelle seien da mal AMORPHIS, OPETH und ANATHEMA genannt, deren Songwritingpotential sie aber bei aller musikalischer Perfektion nicht erreichen. Nur wenige Songs bleiben auf Anhieb im Ohr und selbst nähere Beschäftigung mit OBLIQUE RAIN bringt nur eine Band zu Ohr, die bemüht ist, das Gefühl obiger Bands in ein moderneres Gewand zu verpacken, ohne aber deren Intensität zu erreichen.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.12.2009
Guilherme Lapa
Flávio Silva
César Teixeira, André Ribeiro, Flávio Silva
Marcelo Aires
Major Label Industries
46:09
28.12.2009