Anscheinend sind die 90er en vogue und werden mit aufwändigen Reissues abgefeiert. Nicht nur RADIOHEAD finden sich in exquisiter Aufmachung in den CD-Regalen wieder, auch Pearl Jam erleben eine Wiederveröffentlichung der himmelhochjauchzenden Art.
„Ten“ dürfte eines der wichtigsten Alben des vergangenen Jahrzehnts sein, eigentlich nur noch vergleichbar mit der Wirkung von NIRVANAs „Nevermind“. Zudem ein früher kommerzieller Höhepunkt einer eigens geschafften Musikrichtung, die sowohl Band wie Album glorios überlebt haben. 12 Millionen Exemplare von „Ten“ wurden seit Erscheinen verkauft. Jetzt also eine Deluxe-Edition. Was heißt eine – gleich vier verschiedene Varianten werden veröffentlicht.
Neben dem remasterten Originalalbum wird jedes Paket die von Brendan O’Brien remixte Version enthalten und durch unterschiedliche Zugaben ergänzt, die wie folgt aussehen:
Die vorliegende Ausgabe enthält als Bonus eine DVD mit dem bisher unveröffentlichten PEARL JAM-Auftritt 1992 bei "MTV Unplugged", im 5.1 Surround Sound Audio Remix, dazu auf der „Ten Redux“-CD die exklusiven Bonustracks "Brother", "Just A Girl", "State Of Love And Trust", "Breath And A Scream", "2000 Mile Blues" und "Evil Little Goat"
Des weiteren wird es Packages mit dem "Drop in the Park"- Konzert ebenfalls aus dem Jahr 1992 auf LP geben, das Replikat einer PEARL JAM-Demo-Cassette mit drei Songs und Original-Vocal-Overdubs von Eddie Vedder, und das Replikat eines Notizbuchs von Eddie Vedder mit Kompositionen, persönlichen Anmerkungen und Bildern aus den Sammlungen von Vedder und Jeff Ament.
Das alles liebevoll gestaltet in Buchform, mit zahlreichen Fotos und Liner Notes im 38-seitigen Booklet, verpackt in einem stabilen Pappschuber. Das einzige Ärgernis dieser Ausgabe: die CDs sind wieder mal in enge Laschen im Buchdeckel untergebracht. Das fordert geradezu Kratzer, vor allem beim Herausziehen der Silberlinge aus den knapp bemessenen Halterungen.
Abgesehen davon ist die Edition hervorragend geraten. Visuell ein Genuss, ein weiterer Beleg wie viel sensuelles Erleben beim Medium CD erreichbar ist, wenn die Produzenten sich Mühe geben. Dem virtuellen Netzverkehr weit vorzuziehen.
Akustisch ist „Ten“ ebenfalls eine wertige Angelegenheit. Das Remastering ergeht sich nicht in brutaler Höhenbetonung, so dass das Originalalbum klar und fein durchgezeichnet klingt. Nie hörte sich der „dürüp dürüp dürüp“ Background-Chor in „Alive“ prägnanter und packender an. Brendan O’Briens Remixes betonen die rauere und härtere Seite des Albums, ohne plakativ die melancholisch-wütende Stimmung auszublenden. Die Bonustracks fügen sich passend ein, lediglich die beiden letzten Studio Outtakes „2.000 Miles Blues“ und „Evil Little Goat“ fallen hauptsächlich klangtechnisch – durch störende Clicks – ab. Als historische Dokumente goutierbar, klingt es etwas zu sehr nach defekter CD. Aber das sind Nähnadeln in einem funkelnden Heuhaufen.
Was soll man noch groß über die Musik sagen? Eine perfekte Melange zwischen nachdenklicher Melancholie und Straßenhärte. „Ten“ atmet den Geist der Rockgeschichte, es finden sich Spuren der DOORS, LED ZEPPELINs oder NEIL YOUNGs (der nicht ohne Grund „Godfather of Grunge“ genannt wird), doch steht am Ende ein eigenständiger Sound, der gerne als „hemdsärmelig und handgemacht“ bezeichnet wird, vor allem aber perfekt daran ist, den technischen Aufwand, der betrieben wird, nicht zum Mittelpunkt der Musik werden zu lassen. „Ten“ ist die hohe Kunst, das Vielschichtige so einfach wirken zu lassen, als wäre es locker aus der Hüfte geschüttelt. Und so bleibt das Album auch nach fast zwei Jahrzehnten beeindruckend und verlockt zu neuen Entdeckungen.
Das auf DVD eingefangene Konzert aus der MTV-Unplugged Reihe belegt eindrucksvoll, welch sparsame Instrumentierung PEARL JAM genügt, ein Höchstmaß an Atmosphäre und Spannung aufzubauen. Ruhig und abgeklärt, doch jederzeit in der Lage zu explodieren liefert die Band eine überzeugende Performance ab. Dass 17 Jahre zwischen Auftritt und Veröffentlichung liegen, fällt angesichts der zeitlosen Qualität schwer zu glauben.
FAZIT: Ein exzellentes Album erlebt eine adäquate Wiederveröffentlichung. „Ten“ ist so reich an Songperlen, dass es höchste Zeit für eine derartige Aktion war. Über die Jahre wurde nichts verloren, weder an musikalischer Vielfalt, noch an textlicher Überzeugungskraft. „Jeremy“ z.B. weiß mehr über schulische Amokläufe zu berichten, als die redseligen und doch nur hohlen Kommentare zahlloser Politiker.
Eine schwere Bürde gleich mit dem Debüt den Maßstab für kommende Taten vorzulegen. Dass die Band dieser Vorgabe weitgehend gerecht blieb, fordert Respekt.
Für die vorliegende Luxus-Ausgabe kann es, trotz kleinerer Mängel nur eine Wertung geben: volle Punktzahl.
PS.: Trennen sollten sich Besitzer der deutschen und englischen Erstauflage nicht von ihrer CD. Enthält diese Ausgabe doch zusätzlich drei Bonustracks (Alive (Live), Wash, Dirty Frank), die sich nicht auf der neuen Veröffentlichung finden lassen.
Punkte: 15/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.03.2009
Jeff Ament
Eddie Vedder
Stone Gossard, Mike McCready
Dave Krusen
Sony BMG
53:26 (CD1) / 78:13 (CD2) / 36:30 (DVD)
20.03.2009