Als Solo-Projekt 2008 aus der Taufe gehoben, ist „Vacuum“ das erstgeborene Album von PENSÉES NOCTURNES. Eigentlich handelt es sich um ein siamesisches Zwillings-Album, denn Vater Vaerhon hat hierauf klassische Musik und Black Metal untrennbar miteinander verbunden und so eine traurig schaurige Symphonie aus Weh und Wonne erschaffen.
Alle sechs Songs auf „Vacuum“ sind länger als 10 Minuten – genug Zeit also für ausgedehntes Experimentieren mit dem Zusammenspiel dieser beiden eigentlich unvereinbaren Stile. Und die wird in beeindruckender Weise von der ersten bis zur letzten Minute genutzt. Mit Flöte, Cello, Horn, Celesta, Klarinette, Glockenspiel, Piano, Fagott und Violine werden wir betört und zum Träumen eingeladen. Geduldig und seicht plätschern die Melodien dahin, eine E-Gitarre meldet sich zart und fügt sich ins malerische Ensemble ein, dann bricht der Sturm los, verliert wieder an Kraft, ein neues Unwetter braut sich zusammen, unmerklich, bis es schließlich orkanartig durch unsere Ohren fegt, nur um dann wieder den geordneten Rückzug anzutreten. Die Übergänge von zart zu hart und wieder zurück sind meist schleichend, immer sehr gut nachvollziehbar und durchweg gelungen. Wie die Hochzeit von Himmel und Hölle.
So sehr mich die instrumentellen Arrangements überzeugen und Lob verdienen, so sehr muss ich auch feststellen, dass der „Gesang“ eine äußerst hohe Toleranzgrenze des Zuhörers voraussetzt, um es einmal milde zu formulieren. Deutlicher gesagt: er ist grauenerregend und immer dann, wenn er einsetzt, drossel ich automatisch die Lautstärke; vielleicht auch, damit meine Nachbarn nicht auf die Idee kommen, bei mir würde jemand zu Tode gefoltert. Denn so hört es sich an. Ein um Gnade wimmerndes, gequältes Röchelgekreisch. Ähnlich Scheußliches kannte ich bisher nur von den selbsternannten „Murder Metallern“ MACABRE aus den USA. Es ist ja nicht unbedingt ungewöhnlich, dass man das Booklet zur Hilfe nehmen muss, um mitzulesen, was viele Shouter so von sich geben. Leider liegen mir im Falle von PENSÉES NOCTURNES keine Texte vor und ich kann nicht einmal identifizieren, um welche Sprache es sich handelt, bzw., ob es überhaupt eine Sprache ist.
„Vacuum“ ist ein Winteralbum: depressiv, meditativ und melancholisch. Es will sich so gar nicht mit dem sonnigen Frühling vertragen. Diese Musik verlangt nach Mond- und Kerzenschein, eisigen Winden und frostigen Nächten. Doch die Dunkelheit herrscht immer und überall – das scheint uns PENSÉES NOCTURNES mit jeder Note entgegenschreien zu wollen – und wenn die Finsternis sich bei Tag der Kraft des Lichts für kurze Zeit geschlagen geben muss, so liegt sie doch nur auf der Lauer, in ihren zahlreichen Schlupfwinkeln versteckt. Zum Beispiel in der Musik von PENSÉES NOCTURNES. Aber auch in jedem von uns.
FAZIT: Black Metal und klassische Musik haben mehr miteinander gemein, als bisher gedacht. Das beweist „Vacuum“ eindringlich. Wer mit dem abartigen Gesang kein Problem hat, der wird dieses Album lieben. Alle anderen hoffen, das Vaerhon vocal-technisch auf dem nächsten Album etwas mehr Gnade walten lässt und auch weiterhin bezaubernde Musik komponiert.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.04.2009
Vaerhon (alles)
Les Acteurs De l’Ombre Productions
60:00
01.04.2009