Mit „OK Computer“ geht RADIOHEADS frühere Plattenfirma in die dritte Runde mit den Veröffentlichungen der Collector’s- und Special Editions. Und natürlich ist es das krönende Finale der kleinen Reihe.
Mit „OK Computer“ entfernten sich RADIOHEAD vom eher gitarrenorientierten Sound der ersten beiden Alben, und damit den Prophezeiungen – im positiven wie negativen, dass sie die neuen U2 werden würden.
„OK Computer“ ist der erste Schritt hin zu experimentelleren Strukturen, die auf „Kid A“ und „Amnesiac“ endgültig die Oberhand gewinnen sollten. Dem Album gelingt der Spagat, gleichzeitig verschroben und kommerziell erfolgreich zu sein. Introvertierte Musik mit einer größtmöglichen Außenwirkung. Auf „Ok Computer“ findet sich Brit Pop nur noch im Hintergründigen, stattdessen fließen Trip Hop, melancholischer Downtempo-Rock, progressive Elemente und versponnener Shoegaze in die fragilen Soundskulpturen ein. Da darf eine ausgekoppelte Single auch schon mal sechseinhalb Minuten dauern („Paranoid Android“) und die dazugehörigen Videos (zu finden auf der leider recht kurzen DVD) sind allesamt kleine Kunstwerke. Kunst steht sowieso groß geschrieben über dem gesamten Output, doch während bei den nachfolgenden Werke der angestrengte Wille mitunter größer als die erreichte Umsetzung war, ist „OK Computer“ das seltene Beispiel eines ausgewogenen, vielschichtigen Werks, das in hohen Sphären schwebt und gleichzeitig fest verankert scheint. Ein abenteuerlicher Song löst den anderen ab, und die Entscheidung fällt schwer, welchen Track man als erstes über den grünen Klee loben möchte. Den fast unerwarteten Single Hit, das angeschrägte „Paranoid Android“, das grazile Kleinod „Karma Police“, dem Bands wie Sigur Ros viel zu verdanken haben, die selbstversunkenen „Let Down“ und „Climbing The Walls“, oder das spacig-gleitende „Subterranean Homesick Alien“. Nicht zu vergessen frickeliges wie „Electioneering“. Eigentlich egal, denn „OK Computer“ überzeugt als Gesamtkomplex.
Die zweite CD der Box katapultiert das hervorragende Original zwar nicht in neue Sphären, erweitert den Soundkosmos aber um faszinierende Facetten. Sei es das fast ruppige, gitarrenlastige „Polyethylene (Parts 1 & 2), das sparsam instrumentierte „Pearly“, das nachdenkliche „A Reminder“, im teilweise unfertigen Demo-Modus wirken die Songs rauer und asketischer als auf dem Hauptwerk. Ein Klanggewand, das ihnen ausgezeichnet steht. So ist die Zusatz-CD eine exzellente Ergänzung zum eigentlichen Album.
FAZIT: „OK Computer“ ist einer der Höhepunkte in RADIOHEADs Schaffen. Die Balance zwischen Experiment und purem Wohlklang war selten wieder so stimmig wie hier. In der vorliegenden Special Edition wird das eigentliche Album noch durch Alternativ-Versionen, Remixe und Live-Aufnahmen ergänzt, die ein eigentlich in sich ruhendes Projekt, um weitere Aspekte bereichern. Die DVD ist zwar etwas kurz geraten, aber allein aufgrund der enthaltenen Videos ein Muss. Insgesamt ein grandioser Abschluss des durchweg hervorragenden Triple-Pakets aus frühen Parlophone Tagen.
Eine bange Frage stellt sich indes: werden in Kürze womöglich die ersten drei Alben remastert wieder aufgelegt? Hängt das vielleicht vom Erfolg dieser Reihe ab? Sicher ist, wenn eine Kuh noch Milch geben kann, wird sie gemolken. Und Plattenfirmen sind erfolgsorientierte Melker. Im vorliegenden Fall hat es anerkennenswerter Weise für Premium-Erzeugnisse gereicht.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.04.2009
Colin Greenwood
Thom Yorke, Ed O’Brien
Jon Greenwood, Thom Yorke, Ed O’Brien
Jon Greenwood, Thom Yorke
Phil Selway
Parlophone/EMI
53:31 (CD1) / 60:44 (CD2) / 29:45 (DVD)
20.03.2009