Vielleicht sollte man nicht immer seine Vorurteile auszuleben versuchen, indem man anderen scheinheilig vorurteilsfrei erklärt, man wäre ein absolut toleranter Typ, ein total objektiver Kritiker eben. Vor dieser SCHAFFRATH-Kritik muss ich mich einfach outen – ich bin nicht vorurteilsfrei, wenn es um deutsche Texte geht, denn ich finde es toll, wenn Bands in ihrer Muttersprache versuchen, ihre musikalischen Leidenschaften auszudrücken. Ich bin auch nicht vorurteilsfrei, wenn es um interessant gestaltete Booklets geht, die sind für mich immens wichtig und ich würde niemals Alben downloaden, weil ein Album eben mehr als „nur“ Musik sein sollte – da gehören eben aus meinem Blickwinkel genauso die Texte und die Gestaltung mit dazu. Oh, wie schön waren die altehrwürdigen LP-Zeiten … ein wenig Nostalgie sei an dieser Stelle mal erlaubt. Gute Musik ist für mich nach wie vor eben ein Gesamtkunstwerk.
SCHAFFRATH fällt bei dieser (subjektiven) Bewertung völlig durch. Allein dieses übel kitschige und von jedem, der sich drei bis vier Stunden intensiv mit CorelDraw beschäftigt, besser zu gestaltende Booklet schreckt mich ab. Die Scheibe wäre bei mir schon ihrer Aufmachung wegen durchgefallen und im CD-Regal stehen geblieben – denn wer so stümperhaft seine Musik „untermalen“ lässt, kann einfach nicht viel Wert auf das Produkt legen, das sich hinter solcher „Verhüllung“ verbirgt. Fliegende Löwen mit Bomben in den Krallen, die Elefanten angreifen, deren Rüssel wie Panzerkanonen aussehen und ein zwitschernder Piepmatz – noch nicht mal eine (Friedens-)Taube – vor diesem mythischen Dünnschiss. Verantwortlich hierfür ist übrigens ein gewisser CHRIS KEHL – eine Warnung an alle Musiker: „Meidet ihn!“
Doch lassen wir die Band erst einmal selber für sich (von ihrer Info) sprechen: „Eigentlich sollte es leicht verdaulich, je drei Minuten, aber hart werden.“ Aha, der Kämpfer sollte seine dreiminütigen musikalischen Kämpfe ausfechten und dabei leichtverdauliche, aber kampferprobte Texte hartrockig feilbieten. Dummerweise betrifft die einzige Aussage, an die sich die drei Jungs und das eine Mädel der Band nicht halten, die Titellänge. Ihre Laufzeit bewegt sich nämlich zwischen 3 und 6 Minuten pro Titel, wobei die Dreiminutenvariante durchaus ausreichend gewesen wäre. Textliche und musikalische Peinlichkeiten könnte man dem Hörer so ersparen: „Hier kommt das Licht / Vorne in Sicht / Weiß und es spricht / Traust du dich nicht?“ (Licht) Doch, doch – ich traue mich und sage: „Hier kommt ein Album, das kein Lichtblick ist, sondern ein hartrockiges Konglomerat aus stümperhaftem Gesang zu stümperhaften deutschen Texten, die mich an eine Band erinnern, die einstmals in der DDR, aus Mangel an internationalen Alternativen, ziemlich popeligen Hardrock machte. Deren Name war PRINZIP und ich war heilfroh, dass man von diesen Musikern nach dem Fall der Mauer nichts mehr zu hören bekam. Wie’s scheint, will SCHAFFRATH, PRINZIPiell betrachtet, deren Erbe fortsetzen. Nein danke!
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass SCHAFFRATH aus Hessen kommt? Nein. Na ja, vielleicht hätten sie ja in der ehemaligen DDR einige Chancen gehabt. Aber die gibt’s nicht mehr – SCHAFFRATH wird garantiert auch nicht ewig leben. Also: „Fang noch mal von vorne an!“ (Von vorne). Wer allerdings auf metallische Rockmusik mit einem leichten Hang zu IRON MAIDEN samt deutscher, ziemlich düsterer Frust-Texte oder Fußballgesänge steht, der wird von SCHAFFRATH gefangen genommen werden, bis ihre Löwen einen bombardieren und man seinen kanonenhaften Elefantenrüssel auspackt. Dazu piept vielleicht ein Sperling vorm geöffneten Fenster sein Lied von der unglücklichen Liebe zu einer Friedenstaube.
FAZIT: Angeblich soll MARTIN SCHAFFRATH „Deutschlands meistgefragter Mann aller AC/DC-Tribute Bands für die Besetzung des Frontmanns“ sein. Vielleicht sollte er sich demnach weiterhin auf das Covern von AC/DC (Diese Begabung hört man zumindest auf „Kaempfer“ wenn überhaupt, dann nur ansatzweise heraus!) Songs beschränken. Die australischen Jungs konnten nämlich echt geile Musik komponieren, texten und performen, ganz ohne bombenwerfende Kängurus auf ihren Plattenhüllen – der totale Gegensatz eben zu SCHAFFRATH.
PS: Ich scheute mich die ganze Zeit in gewisser Weise vor dieser Kritik, da ich das Album wieder und wieder gehört habe, um irgendwie vom miserablen Eindruck abzukommen. Noch nie habe ich nur einen Punkt vergeben – aber SCHAFFRATH hat nicht mehr verdient. Tut mir leid. Der absolute Gag ist nämlich das Ende des Albums, das an Peinlichkeit einfach nicht mehr zu übertreffen ist: „Elf“, ein Titel für Fußball-Fans – „Hier kommt die Eintracht!“ Hoffentlich spielen die nie so einen Fußball wie hier musiziert wird!
Punkte: 1/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.07.2009
Thomas Brenneis
Martin Schaffrath, Christina Schleicher, Thomas Brenneis
Christina Schleicher
Markus Schleicher
Eigenvertrieb
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29.05.2009