Dieses Album – oder besser diese Band ist ein einziges Missverständnis! Ähnliches gilt auch für die Musik, die zwar nicht von zwei vertauschten Buchstaben, dafür aber von einem zeitlichen Vertauschen von Vergangenheit und Gegenwart lebt.
TCP ist (eigentlich) die offizielle Abkürzung für Transmission Control Protocol … ein Protokoll das im Internet die Übertragungsraten aufzeichnet.
Musikalisch aber ist TCP (fälschlicherweise) eine Abkürzung, die zugleich Bandname ist. Oder sollte man doch besser statt von einer Band von einem Projekt sprechen? Passender wär’s, denn TCP sind eine von so vielen musikalischen „Interessengruppen“, deren Entstehung nur mit der Hilfe des World Wide Web zustande kam. In diesem Falle lernten sich TARRNECKY, TOBIAS & WRIGHT über eine Independent-Musik-Webseite kennen. Ein Umstand, der zwar oftmals fördernd für den gemeinsamen Musikgeschmack, aber nicht immer für ordentlich aufeinander eingespielte Musik ist – trotz aller technischen Möglichkeiten der Neuzeit.
TCP steht aus Bandsicht für „Temporal Chaos“ (Zeit-Chaos – also müsste die Abkürzung korrekt TPC lauten!) und gleichermaßen für einen unangenehmen Zustand der Menschheit, die sich immer mehr zweiteilt und wobei der schlechte Teil in totaler Hektik untergeht. Bald scheint der Weg in die Zukunft nur noch vom „Temporal Chaos“ geprägt zu sein und sich immer mehr gegen den guten Weg durchzusetzen. Gibt es überhaupt noch „einen Weg“, der aus dieser Misere herausführt? Oder ist es schon zu spät und nur noch eine Frage der Zeit, bis wir dem Untergang geweiht sind?
TCP’s musikalische und textliche Antwort darauf erscheint recht eindeutig: „Die Rettung unserer Zukunft liegt in der Vergangenheit. ‚Der Weg’ voran ist falsch – die Zukunft liegt im Weg zurück!“
Hinter dieser Antwort verbirgt sich als logische Konsequenz wohl auch die musikalische Richtung, in welche sich „The Way“ von TCP bewegt. In die Hochzeit der progressiven Rockmusik und des klassischen Hardrocks, wie wir sie aus den guten alten Siebzigern kennen und lieben gelernt haben. So wird nicht gekleckert, sondern gleich geklotzt und auf dem musikalischen Flagschiff durch das Zeitchaos stehen die alten GENESIS am Ruder, die den „Weg“ vorgeben. Doch das ist noch lange nicht genug, denn als Matrosen haben YES angeheuert, die ihre Kajüte manchmal durch einen Kajütenjungen aufräumen lassen, der KING CRIMSON heißt. Und spätestens mit „Heavy Billy“ heuern dann auch noch ELP an.
Allerdings ist deren Rolle nicht entscheidend, um das zu keiner Zeit sinkende, aber oftmals stark schlingernde Schiff auf Kurs zu halten. Auch ist es kein frischer Wind, der in die Segel bläst, aber trotzdem eine steife, wohlbekannte Brise. Nur leider bläht sie die Segel nicht, sondern kommt aus ständig anderen Richtungen, sodass sich das Boot nur im Kreise dreht!
Neu daran sind höchstens die elektronischen, ein wenig aufgepeppten Spielereien – und spätestens jetzt erinnert dieses retroprogressive Gebräu der Zeit-Chaos-Maschine, die Kurs in Richtung Gegenwart nimmt, an die mitunter sehr langweilige Retro-Recycle-Kombo des progressiven Gegenwartsrocks überhaupt: AYREON. Doch während die mit einer Vielzahl hervorragender Sänger früher mal „Into The Electric Castle“ angekommen waren, ist „The Way“ von TCP vom einseitigen, etwas gepressten Gesang HENRY TERRNECKYs geprägt. Ständig und bei jeder Zeile scheint er dem zwanghaften Versuch zu unterliegen, in einer Bandbreite von PETER GABRIEL über COLLINS, zu seiner „Wind And Wuthering“-Phase, bis hin zu schmalbrüstigem FISH klingen zu wollen. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig und für den einen oder die andere sicherlich nicht unbedingt euphorisierend.
Ein wenig peinlich berührt ist man auch beim Anfang des Instrumentals „Road To 2012“, bei dem TCP den Eindruck vermitteln, als würden sie RONDO VENEZIANO mögen und Schrecken macht sich breit. Aber der Titel gewinnt dann glücklicherweise durch ein an SATRIANI erinnerndes E-Gitarren-Gewitter deutlich an Fahrt und eliminiert jeglichen Kitsch-Faktor. Puhhhh! Überhaupt hat die Gitarre so einige Höhepunkte im Verlauf von „The Way“ zu bieten und sogar die Freunde früher, psychedelischer PINK FLOYD werden bei „She“ (leider nur hintergründig) auf ihre Kosten kommen.
Am Ende des Albums bleibt ein zwiespältiger Eindruck zurück. Man möchte „The Way“ schon wegen all seiner Retro-Momente mögen, aber so richtig kann man das nicht. Vielleicht liegt es ja daran, dass alle hier zum Vergleich angeführten Bands immer über außergewöhnliche Sänger verfügten. Dagegen hat der TCP-Lyriker und –Sänger zwar interessante Texte, aber nur eine an die Vorbilder erinnernde, aber keinesfalls an sie heranreichende Stimme zu bieten. Und wie heißt es doch so schön im Titel „Sheep“? – „Try…To…Be One And Only!“ – doch gerade das ist es wohl, was TCP nicht gelingt.
Einem meiner unwiderruflichen Grundsätze folgend, habe ich dieses Album, genau wie jedes andere von mir besprochene, mindestens achtmal gehört. Das Ergebnis ist auf die Dauer ziemlich niederschmetternd, denn von Mal zu Mal wird es nicht besser, sondern immer ein klein wenig schlechter. Tut mir leid, aber TCP werde ich ab sofort in den Tiefen meines CD-Regals versenken, in dem die angestaubten Scheiben stehn.
FAZIT: Der Traditionalist freut sich, der Progrock-Fan der guten alten 70er Jahre ist ansatzweise beglückt, denn er bekommt genau das geboten, was er seit Ewigkeiten mag. Doch wer hinter dem Begriff „Progressiv“ auch in der Gegenwart musikalischen Fortschritt erwartet, der wird mit TCP zwar nicht glücklich, aber gerade so befriedigt werden. Dagegen stimme ich schon eher den ROLLING STONES zu: „I can’t get no satisfaction!“
Erhältlich bei www.justforkicks.de
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.05.2009
Blake Tobias
Henry Tarrnecky
Jack Wright
Blake Tobias
Jack Wright
Glenn Arpino (Mellotron bei „Sheep“), Gary Carciello (Lead-Gitarre bei „Mankind“ und Rhythmus-Gitarre bei „She“), Ange DiGeronimo (Schlagzeug bei „I’m Me” & „Liberate Me”), Glenn Liljeblad (Lead-Gitarre bei „Sheep”), Tom Shiben (Bass)
10t Records / Just For Kicks
74:04
01.05.2009