WALTER TROUT begeht in diesen Tagen sein zwanzigstes Bühnenjubiläum als Solo-Künstler und feiert auf einer Tour durch Deutschland gemeinsam mit seinen Fans. Aus diesem Anlass erschien vor kurzem auch die hier zu besprechende Scheibe „Unspoiled By Progress“ – „20 Years Of Hardcore Blues“, mit der Walter unveröffentlichte Aufnahmen der vergangenen zwanzig Jahre [inklusive dreier brandneuer Songs] veröffentlicht und damit den sprichwörtlichen Kreis zu schließen versucht. Es drängt sich nun einfach auf, die Historie dieses Ausnahme-Gitarristen angemessen zu würdigen.
Sein Handwerk lernte WALTER TROUT in geradezu legendären Bands: Von 1980 bis 1984 bei CANNED HEAT und von 1984 bis 1989 in der Band des britschen Bluesers JOHN MAYALL, also bei den BLUESBREAKERS. Neben dem Meister selbst und COCO MONTOYA war er der dritte Gitarrist. Wann immer Walter nicht auf Tour oder im Studio war, spielte er zwischen vier und sechs Gigs pro Woche in „Perq’s Nightclub“ in Huntington Beach/New Jersey, wo er eine Hausband hatte. Als er Ende 1989 seinen ersten Solo-Vertrag erhielt, nahm er diese Band um seinen besten Freund Jimmy Trapp (Bass) und nannte sie WALTER TROUT BAND. Im Jahr 1999 benannte man sich in WALTER TROUT & THE RADICALS um. Walter Trout spielte sich schnell in die Herzen vieler Bluesfans, vor allem in Deutschland. Es gab allerdings immer Zeitgenossen, die ihm vorwarfen, er spiele „too many notes – too loud.“ Allerdings bewies er bereits früh ein „Näschen“ für Trends, denn Ende der 90er Jahre kamen immer mehr junge Gitarristen wie JOE BONAMASSA, LANCE LOPEZ und ERIC SARDINAS, die sich Walters Blues’n’Hardrock zu eigen machten.
Die Förderung des Gitarren-Nachwuchses ist seit jeher Walters Herzenssache. So lud er Leute wie IAN PARKER, STEVE FISTER, HENRIK FREISCHLADER oder DANNY BRYANT ein, sich als Support für ihn erstmals vor größerem Publikum profilieren zu können.
Das hier vorliegende Jubiläums-Album beleuchtet WALTER TROUTs Schaffen von 1989 bis heute mit bislang unveröffentlichtem Material. Mit der brandneuen Aufnahme „They call us the working class“ steigen die derzeitigen RADICALS in die Trackliste ein. Ein für Trout typischer, treibender Blues-Rocker mit politischer Ansage – der Mann hat sich bekanntlich im Präsidentschaftswahlkampf für Barrack Obama engagiert. Mit „Goin’ down“ folgt Trouts ältester unveröffentlichter Studiotrack vom August 1991. Diese Nummer ist zu seinem Live-Klassiker geworden, aber sie fand nie den Weg auf ein Studio-Album. „Live in the jungle“ und „Long tall Sally“ folgen zwei 91er Aufnahmen aus dem Amsterdamer Paradiso. Die LITTLE RICHARD-Nummer war die Zugabe dieses Abends.
Das Sahnestückchen von „Unspoiled By Progress“ sind die Aufnahmen 5 bis 8, die 1989 in seiner „Guten Stube“ im „Perq’s Nightclub“ aufgenommen wurden. Unter Musikern war dieser Club dafür bekannt, dass man jederzeit auf die Bühne gehen konnte, um fröhlich mitzujammen. An diesem Abend tat dies einer der weltbesten Drummer, Richie Hayward, bei „Somebody's acting like a child“. Eine Sternstunde für die zahlreichen LITTLE FEAT-Verehrer…
Die Geschichte zu „Sweet as a flower“ ist einfach nur traurig: Die Aufnahme stammt aus dem letzten Konzert mit Walters bestem Buddy Jimmy Trapp vom 22.08.2005 in Las Vegas - nur zwei Tage später verstarb dieser. „Two sides on every story“ ist der zweite neue Track, ein mit Dobro und National Steel interessant arrangierter Slow-Blues. Spaßvogel Trout schlägt bei „Goin’ back home“ erneut zu: Im Dezember 1991 beim Bonner Blues Festival aufgenommen baut er Referenzen an „Merry Christmas“ in sein Solo ein. Zuvor legt er mit „Finally gotten over you“ einen mörder-scharfen Slow-Blues hin. „Marie’s Mood“, ein seiner Frau gewidmetes Liebeslied, wurde beim renommierten Leverkusen Blues Festival 1997 aufgenommen – eine Intrumental-Nummer mit flirrender Gitarre und glockigem Fender Rhodes-Piano, frei nach dem Motto: Eine Gitarre sagt mehr als 1000 Worte ;-)) Ein grooviger Shuffle von den 91er Bob Harris BBC Sessions, „She’s out there somewhere“, beendet die Live-Takes von „Unspoiled By Progress“. Den Schlusspunkt setzt ein neuer Song: „So afraid of the darkness“, ein meisterhafter, Trout-typischer druckvoller Midtempo-Blues.
Beim Kauf einer Scheibe von WALTER TROUT kann man grundsätzlich nicht viel verkehrt machen. Einerseits sind sie alle zumindest „sehr gut“, andererseits kenne ich kaum jemanden, der mit Trouts „Hardcore-Blues“ nichts anzufangen weiß. „Unspoiled By Progress“ ist eine mit einem liebevollen Booklet ausgestattete Retrospektive, die zwingend in eine gut sortierte Blues-Sammlung gehört.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.07.2009
Jimmy Trapp, Rick Knapp
Walter Trout
Walter Trout
Sammy Avila, Danny „Mongo“ Abrams, Martin Gershwitz
Michael Leasure, Frank Continola, Richie Hayward, Bernard Pershey, Charles “Rick” Elliot
Provogue
77:54
03.07.2009