AGAINST ME!, ein Name, der mir schon diverse Male untergekommen ist ohne dass ich der Band Beachtung geschenkt hätte. Das könnte jetzt durchaus zum Vorteil gereichen, da mir der Vergleich zu den Vorgänger-Werken, immerhin 4 seit 2002 an der Zahl, fehlt.
Hört man nämlich die Meinung eingefleischter Fans, ist „White Crosses“ sehr poppig und angepasst ausgefallen, gelegentlich werden gar Unworte wie „Stadionrock“ und „springsteenesk“ als schwere Geschütze aufgefahren. Aber ist das ganze Tamtam eigentlich gerechtfertigt?
Nüchtern betrachtet ist „White Crosses“ eingängiger Punkrock, sehr melodiös mit diversen Ohrwürmern und unzähligen „Ohs“ und „Ahs“ garniert. Selbst vor schmalziger Instrumentierung und Balladen schrecken die Herren Punkers nicht zurück, das phantastische „Ache With Me“ mag hier als Beispiel gelten. Gelegentlich hat die Band eine angenehme Streetpunk-Attitüde aufgelegt, ein ums andere Mal fühle ich mich an die großartige „Guitar And Drums“-Scheibe von STIFF LITTLE FINGERS erinnert, die sich jeder AGAINST ME!-Jünger mal zu Gemüte führen sollte. Ansonsten tun die Songs sicherlich niemandem weh und könnten auch problemlos in jedem modernen Radio gespielt werden. Wenn da nicht noch diese andere Sache wäre.
Genau, die Sache mit den Texten. Klar, Metaller haben es nicht so mit Inhalten, immer schön unpolitisch und so. Welcher Download hat schon Textblätter? (Achtung Provokation!) In diesem Punkte schwebt Sänger Tom Gabel nämlich Meilen über dem üblichen Floskel-Blabla vieler seine Kollegen und auch Genre-Kollegen. Plakatives Anti-Sein? Fehlanzeige. Stattdessen nachdenkliche Worte, „White Crosses“ ist beispielsweise ein Pro-Choice-Text gegen die unerträgliche und zum Teil kriminelle amerikanische Abtreibungs-Gegner Front, „I was A Teenage Anarchist“ eine Abrechnung mit einer selbstgefälligen und engstirnigen Linken und eine simple Zeile wie „Suffocation. Modern Life In The Western World“ bringt ein Lebensgefühl einer ganzen Szene kompromisslos auf den Punkt. Und ich wage mal die Behauptung, dass es sinnvoll ist, verträgliche Musik zu machen, wenn man mit Inhalten Menschen außerhalb einer Szene erreichen will. Einen Weg, den seinerzeit ja auch CHUMBAWAMBA gegangen sind, auch wenn deren Musik phasenweise unerträglich wurde.
Inthenameofnamedropping: Trommler ist seit letztem Jahr George Rebelo von HOT WATER MUSIC. Produziert hat Butch Vig, der seinerzeit schon NIRVANAs „Nevermind“ den passenden Sound geschustert hat. Die mir vorliegende Ausgabe der CD enthält noch 4 Songs, die es nicht bis auf den regulären Release gebracht haben, aber auch nicht ganz große Hits sind.
FAZIT: Eine massenkompatible Punkrockplatte ist „White Crosses“ geworden. Klarer Fall, aber lieber eine eingängige Scheibe mit Inhalt und als die millionste „Preaching To The Converted“-Nummer. Große Scheibe.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.08.2010
Andrew Seward
Tom Gabel
James Bowman, Tom Gabel
George Rebelo
Sire Records/Warner
50:18
04.06.2010