Gute vier Jahre haben uns AGALLOCH warten lassen – das Ergebnis rechtfertigt die Wartezeit allerdings gänzlich, denn die Amerikaner haben sich mit ihrem neuen, nunmehr vierten Album, selbst übertroffen.
Die Größe des Werkes in Worte zu fassen, fällt relativ schwer, denn überschäumende Euphorie oder Enthusiasmus scheinen bei „Marrow Of The Spirit“ irgendwie fehl am Platze. Denn ruft man sich die Eingängigkeit und Hitverdächtigkeit der beiden letzten Alben ins Gedächtnis, zieht das aktuelle Release klar den kürzeren. Die Kompositionen wirken insgesamt viel tiefer und kratzen nicht mehr nur an der Oberfläche. Schöngeistigkeit findet nicht mehr nur vordergründig ihren Ausdruck und mischt sich mit Ernsthaftig- und Bitterkeit.
Nein, „Marrow of the Spirit“ ist kein „The Mantle“, kein „Ashes Against The Grain“: es ist harter Tobak, der anfangs gar nicht so recht zünden will, aber den Hörer mit jeder Umdrehung mehr in seinen Bann zieht. Während 'Into The Painted Grey' noch harsch in die vollen geht und fast zynisch in black metalligen Sphären wandelt, hätte 'The Watcher's Monolith', dezent mit klarem Gesang gespickt, noch am ehesten auf die beiden Vorgänger gepasst, bevor es mit dem über eine Viertelstunde lastenden 'Black Lake Nidstång' dann zum undurchdringlichsten Part des Albums kommt: dicht, fast ambient baut man eine derart finstere Atmosphäre auf, die Zeit und Raum obsolet machen und den Hörer verstört zurücklassen. Dieser Track scheint das zentrale Augenmerk des Albums zu sein, indem sich die rätselhaften Tiefen von AGALLOCHs Schaffen wiederfinden.
FAZIT: Für Fans der Eingängigkeit der letzten Alben mag „Marrow Of The Spirit“ im ersten Moment eine Enttäuschung sein, doch diese Platte hat soviel zu bieten, das nicht gleich offensichtlich auf dem Teller präsentiert wird und entwickelt gerade dadurch eine derart geheimnisvolle und bedrohliche Stimmung, wie man sie von dieser Band bisher nicht erfahren hat. AGALLOCH haben sich mit diesem Album nach vier Jahren Inkubation klar nach vorn katapultiert – auf Kosten von Kommerzialität und Eingängigkeit zwar, aber dafür haben sie ein zeitloses, bitter-schönes Monument erschaffen, dem in diesem Jahr niemand das Wasser zu reichen vermag.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.12.2010
Jason William Walton
John Haughm
John Haughm, Don Anderson
Don Anderson
Aesop Dekker
Profound Lore/Viva Hate
65:33
26.11.2010