"It's a long way to the top if ya wanna Rock'n'Roll" - erinnern wir uns: 1976, eine wild-wüste Truppe namens AC/DC schwappte von Australien nach Europa herüber und mischte die Musikszene gnadenlos auf. Neben Angus Young war es vor allem ein gewisser Bon Scott, an dessen 30. Todestag dieser Tage erinnert werden musste, der die vermieften, "Art Rock-verseuchten" Hirnschalen (zumindest mir und einem Grossteil meines Bekanntenkreises ging es so) lüftete. Mensch, hatte der eine schräge Stimme, war das ein cooler, lockerer Typ.
Heute, 34 Jahre später, legt eine weitere australische Band ihren Zweitling vor: AIRBOURNE veröffentlichen "No Guts. No Glory." Zuerst muss man ketzerisch fragen: "Darf eine Band derart rotzfrech abkupfern?" Ja, sie darf! Wenn sie derart genial Bon Scott wieder auferstehen lässt, allemal! Diese Frage hatten die Jungs um das Brüderpaar Joel und Ryan O'Keefe übrigens mit ihrer Debüt-Scheibe, "Runnin' Wild" von 2007, bereits überzeugend beantwortet.
"No Guts. No Glory." macht Durst... der Gang zum Kühlschrank, um eine Pulle eiskalten Hopfentees zu öffnen, ist vorprogrammiert. Bereits während des Intros zum Opener "Born To Kill" ist man geneigt, den Volume-Regler bis an die Grenze des Erträglichen aufzureißen, das Fenster zu öffnen, beide Fäuste in den Himmel zu recken und einen gepflegten Nachbarschaftskrieg zu entfesseln - aber bitte den Songtitel nicht allzu wörtlich nehmen.
"No Guts. No Glory." ist nichts für zart besaitete Gemüter, intellektuelle Introvertierte und für Freunde anspruchsvoller Klänge - hier ist Party angesagt - nichts als Paaaarty! Die Songs "duften" förmlich nach "Blood, Sweat & Tears", nach Profanitäten wie Motoröl, Currywurst und Bier. Jeder Song - ein Nackenbrecher, jeder Track lässt wechselweise Gänsehautschauer über den Rücken rieseln bzw. die Körperbehaarung auf Widerborsten aufrichten. Ob Midtempo-Stampfer, Riff-Bolzer oder Uptempo-Rocker, dem Hörer wird keine Atempause gelassen. Hier werden keine "Gefangenen gemacht". Neben den bereits angesprochenen "Atze Detze" wird von AIRBOURNE noch reichlich ROSE TATTOO, JUDAS PRIEST und gelegentlich etwas THIN LIZZY zitiert. Aufnahmetechnisch ist man auch mit Produzent Johnny K. auf den bewährten Pfaden geblieben: live, direkt und analog - keine Mätzchen!
Bärenstark wird es, wenn wie in "Bottom Of The Well" und "Armed And Dangerous", meinen beiden uneingeschränkten Anspieltipps, auch einmal das Tempo variiert wird. Ersterer glänzt mit einem wunderschönen Intro, das im Verlauf des Songs noch mehrfach zitiert wird und sich mit einem hammerharten Riff abwechselt. Die ersten Takte des Letzteren erinnern etwas an GOLDEN EARRINGs "Radar Love", bevor ein richtig schönes Heavy-Riff im Midtempo einsetzt. Joel O'Keefe grölt sich mit Hilfe seiner mit bestem Tennessee-Whiskey malträtierten Stimme durch alle Songs. "It Ain't Over Till It's Over" ist die schnellste und härteste Nummer auf "No Guts. No Glory." und dürfte einer der Stimmungskanonen bei der am 4. März startenden Europatour werden, die AIRBOURNE auch nach München, Wiesbaden, Stuttgart, Berlin, Hamburg und Köln führen wird. Gleiches kann man von dem abschließenden Schmankerl "Back On The Bottle" sagen, dass wohl -scherzhaft gesprochen- von den Anonymen Alkoholikern auf den berühmten Index gesetzt werden dürfte. Aber so bierernst darf man diese trinkfesten Aussies ohnehin nicht nehmen.
Bei einigen Songs -ich denke da an "Steel Town" und "Chewin' The Fat"- hat man allerdings das Gefühl, dass die Ideen dann doch etwas limitiert waren. So entwickeln sich einige Längen, die allerdings immer wieder von Hochkarätern unterbrochen werden.
FAZIT: AIRBOURNEs "No Guts. No Glory." ist ein richtig scharfes, kaufenswertes Teilchen geworden. Es könnte der stimmungsvolle Soundtrack zur Einstimmung auf die Fussball-Weltmeisterschaft, hier im besonderen auf die Begegnung zwischen unserer deutschen mit der australischen Mannschaft in der Vorrunde, werden. Wünschen wir den sympathischen Aussies einen verdienten zweiten Platz in "unserer" Gruppe. Sie können sich ja wenigstens rühmen, die "besseren" Hardrocker zu haben...
Erwähnenswert ist, dass "No Guts. No Glory." auch als Special Edition mit weiteren fünf Bonus-Tracks erhältlich sein wird. Dies dürfte für den Die-Hard-Fan die bessere Wahl sein. Mir lag zur Besprechung leider nur die Normalversion vor.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.03.2010
Justin Street
Joel O'Keeffe
Joel O'Keeffe, David Roads
Ryan O'Keeffe
Roadrunner Records
46:53
05.03.2010