2008 reformierten sich die Erfinder des Göteborg'schen Melodic Death Metals für einen einzigen Sommer: At The Gates. Eine der einflussreichsten Bands im härteren Metal hatte sich 1996, nachdem Gitarrist Anders Björler seinen Austritt aus der Band verkündet hatte, sang- und klanglos aufgelöst. Zwölf Jahre später entschied man sich dann für eine einmalige Reunion, um die Band standesgemäß zu Grabe zu tragen und sich noch einmal "ordentlich" von den Fans zu verabschieden. Die Abschiedstour umfasste zahlreiche Auftritte rund um die Welt, darunter auch einen sensationell guten Auftritt auf dem 2008er Wacken Open Air. Als endgültiger Schlusspunkt unter der Karriere erschien im Februar diesen Jahres die Dreifach-DVD "The Flames Of The End", die ein würdiges Vermächtnis darstellt und mit einer Spielzeit von über fünf Stunden ein beeindruckender Grabstein auf dem Friedhof des Death Metals ist.
Die erste DVD trägt den Titel "Under A Serpent Sun" und ist eine allumfassende Biografie der Band. Mit unzähligen Bildern, Videoaufnahmen und Interviews wird die komplette Geschichte von At The Gates erzählt, angefangen bei den ersten musikalischen Gehversuchen als GROTESQUE bis hin zur Abschiedstournee im Jahre 2008. Ausführlich wird auf jede einzelne Veröffentlichung der Band eingegangen und erzählt, wie die jeweilige Zeit im Studio verlaufen ist. Tompa Lindberg zeigt, wie die Gebäude aussehen, in denen die Band damals geprobt hat oder ihre ersten Auftritte hatte. Jeder einzelne Musiker, auch der ehemalige Gitarrist Alf, kommt ausführlich zu Wort, erzählt, wo und wie er aufgewachsen ist, wie man sich kennengelernt hat, und und und. Es gibt wirklich nichts, was in dieser Dokumentation, für die sich Gitarrist Anders verantwortlich zeigt, ausgelassen wurde. Natürlich berichten auch zahlreiche Weggefährten von den gemeinsamen Zeiten mit der Band, unter anderem Mikael Stanne von DARK TRANQUILLITY, Shane Embury (NAPALM DEATH) oder Starproduzent Fredrik Nordström. Besonders erheiternd sind uaralte Aufnahmen und Bilder von Leuten wie Oskar Dronjak (heute HAMMERFALL) sowie die Berichte von reichlich chaotischen Touren mit MY DYING BRIDE, NAPALM DEATH oder THERION. Die Entstehung der vier Musikvideos, die die Band aufgenommen hat, wird beschrieben und natürlich gibt es die vier Clips auch in voller Länge zu sehen. Letztendlich erfährt man nicht nur jedes Detail über die Band, sondern auch über die Entstehung der gesamten Szene in und um Göteborg. Einziger Wermutstropfen: es wird ausschließlich schwedisch gesprochen, weshalb man auf die englischen Untertitel angewiesen ist.
Den kompletten Auftritt auf dem Wacken Open Air 2008 bekommt man auf der zweiten DVD zu sehen. Die Show wird von der Band selbst als einer der besten Auftritte ihrer ganzen Karriere bezeichnet und das durchaus zurecht. In der Abenddämmerung zieht das Quintett alle Register und feuert ein aus 18 Songs bestehendes Best Of-Set in das ausrastende Publikum. Wer schon einmal einen Mitschnitt vom Wacken gesehen hat, weiß, was er zu erwarten hat: Top-Qualität bei Schnitt und Bildern und ein superfetter Sound, natürlich im raumgreifenden 5.1-Format. Auf einem großen Fernseher mit entsprechender Surround-Anlage ist es schon ein Erlebnis, diesem Auftritt beizuwohnen. Es fällt allerdings auf, dass das Bild bei roter Bühnenbeleuchtung leicht pixelig wirkt, was dem optischen Genuss aber nicht schadet. Die Band agiert sehr aktiv, allen voran mehr-Bart-als-Gesicht-Frontmann Tompa Lindberg, der auch viel mit dem Publikum kommunziert und bester Laune ist. Pyros und anderen Firlefanz fürs Auge gibt es nicht, das vermisst man aber auch nicht, denn die erstklassige Musik spricht für sich selbst.
Als Abschluss gibt es dann noch eine Zusammenstellung von diversem Livematerial aus den Jahren 1991, 1996 und von verschiedenen Abschnitten der Abschiedstournee. Bild und Sound sind hier natürlich nicht so perfekt, wie bei der Aufnahme der Wacken-Show, aber auch diese Szenen haben durchaus ihren Reiz. So dürfte der 91er Auftritt im schwedischen Eskilstuna zu den ältesten Livedokumenten von At the Gates überhaupt gehören. Beeindruckend ist aber auch der Auftritt im Irving Plaza in New York im Juli 2008, bei dem das Publikum "Slaughter Of The Soul" komplett mitsingt und zwar so laut, dass man von Tompas Gesang genau gar nichts mehr hört.
Neben den drei DVDs enthält die Box außerdem ein dickes Booklet mit zahlreichen Fotos aus den Privatalben der Bandmitglieder sowie ausführliche Credits und ein nettes Schlusswort.
FAZIT: "At The Flames Of The End" ist ein absolutes Referenzwerk und verdient nicht nur bei At The Gates-Fans einen Ehrenplatz in der Sammlung, sondern bei jedem Anhänger melodischer Death Metal-Klänge. Metal-Historie in unverzichtbarer Form.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.04.2010
Jonas Björler (Cliff Lundberg)
Tomas "Tompa" Lindberg
Anders Björler, Martin Larsson (Alf Svensson)
Adrian Erlandsson
Earache Records
320:00
22.02.2010