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Reviews

Avantasia: The Wicked Symphony

Stil: Melodic Power Metal

Cover: Avantasia: The Wicked Symphony

Tobias Sammet ist immer wieder für eine Überraschung gut. Dass er gleich zwei Alben auf einmal veröffentlicht (die man übrigens auch gemeinsam in einer schicken Edition kaufen kann), ist solch eine Überraschung. Und wer Tobias Sammet kennt, weiß, dass es dabei nicht um Profilierung oder Veröffentlichungswahn geht, sondern dass er soviele gute Ideen hatte, um dabei zwei qualitativ hochklassige Eisen zu schmieden. "Angel Of Babylon" und "The Wicked Symphony" heißen die beiden neuen AVANTASIA-Werke, die zeitgleich am 03.04.2010 veröffentlicht werden.

Ich darf mir "The Wicked Symphony" vorknüpfen, welches ich im Vergleich der beiden Releases als das ganz knapp bessere Werk einstufen würde. Das ist freilich schon wieder Ansichtsache, doch machen sich die Songs der "The Wicked Symphony" bei mir schneller in den Gehörgängen breit – eigentlich sogar schon beim ersten Durchlauf, was sonst eher seltener der Fall ist. Tobi Sammet hat hier durchweg auf höchstem Niveau komponiert. Und er konnte auch wieder eine unglaubliche Riege an Gastmusikern für sein Projekt begeistern, die das gut durchdachte Song-Material durch ihre Fertigkeiten und chrakterischen Eigenheiten nochmal aufwerten. Jorn Lande, Michael Kiske und Bob Catley sind wie bei "The Scarecrow" beispielsweise wieder als Sänger mit an Bord, oder Oliver Hartmann als Gitarrist. Darüberhinaus gesellen sich Musikerkoryphäen wie Bruce Kulick, Andre Matos, Tim "Ripper" Owens oder Mr. Scorpions Klaus Meine zum "Wicked-Symphony"-Team.

Doch es wird höchste Zeit, sich endlich mal intensiv dem Album zu widmen. Der Einstieg mit dem neuneinhalb Minuten langen Titeltrack "The Wicked Symphony" könnte nicht besser gewählt sein. Er startet symphonisch-opulent, wie eine Mixtur aus den Soundtracks von "Der Herr der Ringe" und "The Rock", geht dann aber in einen vielschichtig-progressiven Melodic-Power-Metal-Track über, dem auch die Gastsänger Russell Allen und Jorn Lande ihren Stempel aufdrücken können. Bridge und Refrain sind vom Feinsten und laden schon beim ersten Hören zum mitsingen ein. Das Stück ist in seiner Vielschichtigkeit mit den unterschiedlich intensiven Atmosphären in jeder Hinsicht hervorragend ausgearbeitet und wartet auch mit klasse Instrumentalarrangments auf. Ich würde sogar behaupten, dass es Tobis Meisterwerk ist.

Nach solch einem mega-genialen Beginn, ist es natürlich schwer, das Level zu halten. Deswegen war Tobi klug beraten, den flotten und straighten Power-Metal-Song "Wastelands" dahinter zu platzieren, der ein wenig an frühere EDGUY-Kompositionen erinnert und durch seine Energie und Eingängigkeit zu bestechen weiß. Auch "Scales Of Justice" steckt voller Energie, wenngleich die Stimmung des Songs ungleich aufgewühlter und durch Rhythmus- und Tempowechsel differenzierter ist. Es fällt aber auf, dass AVANTASIA auf "The Wicked Symphony" wieder verstärkt zum Metal zurückgekehrt ist. "Dying For An Angel" mit Gastbeitrag von Klaus Meine ist wieder ein Ohrcatcher par excellence. Ein bisschen klingt es durch Meines Gesang wie "SCORPIONS-goes-Melodic-Power-Metal". Doch passen besonders die zweistimmigen Vocals beim Höhepunkt im Duett mit Tobias Sammet durch die völlig unterschiedlichen Timbres sehr gut zueinander.

Andre Matos drückt dem etwas emotionaleren, aber immer noch ziemlich energievollen "Blizzard On A Broken Mirror" durch sein leicht angerauhtes Organ mit dem gefühlvollen Touch seinen Stempel auf. Der mit über acht Minuten zweitlängste Song "Runaway Train" ist eine tolle und abwechslungsreiche Power-Ballade, die kaum einen besseren Sänger sehen konnte als Bob Catley und die dem Hörer mit einem ungeheuer intensiven Ohrwurm-Höhepunkt einen angenehmen Schauder über den Rücken jagt. Das tiefgründige und düster arrangierte "Crestfallen" geht fast als Dark-Metal-Track durch, bevor "Forever Is A Long Time" wieder mehr zum leichtfüßigeren Melodic Power Metal zurückkehrt. Bei beiden Songs darf man Jorn Landes Ausnahmestimme lauschen. Auch der eher unbekannte Ralf Zdiarstek (der allerdings auch schon bei den Metal-Operas mitgewirkte) hat eine klasse ausdrucksstarke Stimme, wie er bei dem ungeheuer vielschichtigen und teilweise richtig wuchtigen "Black Wings" beweisen kann. Wer auf einen etwas schwächeren Song wartet, findet ihn in "States Of Matter" bei dem eigentlich hauptsächlich Elemente aus vorherigen Stücken nochmal aufgewärmt werden. Das abschließende "The Edge" bringt dann noch mal die gefühlvollere Seite von AVANTASIAs Sound ins Spiel und kann mit einem tollen Refrain punkten.

FAZIT: Nach "The Scarecrow" hatte ich nicht erwartet, dass Tobi Sammet nochmal an die Metal-Opera-Alben heranreichen kann. Doch mit "The Wicked Symphony" gelingt es ihm, wenn er sie nicht sogar in den Schatten stellt. Bis auf die eine Ausnahme gibt es auf "The Wicked Symphony" nur echte Highlights, aus denen wiederum der Titeltrack, "Dying For An Angel" und "Runaway Train" nochmal herausragen. Und wem "The Scarecrow" zu viel Rock und zu wenig Metal war, kann auch aufatmen, denn mit "The Wicked Symphony" kehren AVANTASIA zum Metal zurück. Tobias Sammet ist hier ein richtiges Ausnahmewerk gelungen, dass jeder Anhänger eines vielschichtigen melodischen Power Metals sein eigen nennen sollte.

Punkte: 14/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.04.2010

Tracklist

  1. The Wicked Symphony
  2. Wastelands
  3. Scales Of Justice
  4. Dying For An Angel
  5. Blizzard On A Broken Mirror
  6. Runaway Train
  7. Crestfallen
  8. Forever Is A Long Time
  9. Black Wings
  10. States Of Matter
  11. The Edge

Besetzung

  • Bass

    Tobias Sammet

  • Gesang

    Tobias Sammet, Jorn Lande, Russell Allen, Bob Catley, Klaus Meine, Tim "Ripper" Owens, Michael Kiske, Andre Matos, Ralf Zdiarstek

  • Gitarre

    Sascha Paeth, Bruce Kulick, Oliver Hartmann

  • Keys

    Michael Rodenberg, Simon Oberender

  • Schlagzeug

    Eric Singer, Felix Bohnke, Alex Holzwarth

Sonstiges

  • Label

    Nuclear Blast

  • Spieldauer

    60:31

  • Erscheinungsdatum

    03.04.2010

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