Auch das zweite Album von BASS COMMUNION bleibt gewissermaßen titellos. Die "II" zeugt mehr von der Rangfolge der Veröffentlichung als von ihrem Namen. Etwas zum Festhalten gibt immerhin Carl Glover vom Grafikdesignstudio Aleph: mitten aus einem Kornfeld ragt eine T-förmige, mit Seilen gespannte Skulptur aus Holzlatten. Der Blick darauf bahnt sich seinen Weg durch die schemenhaften Weizenhalme aus der ersten Reihe hindurch; der Fokus wird nach hinten hin schärfer. Der Himmel ist strahlend blau.
Mit dieser einen Assoziation wird man in das Intro entlassen, und so verwundert es nicht, dass "16 Second Swarm" daraufhin klingt wie die Geräusche, die einen umwehen, wenn man einsam mitten in einem goldfarbenen Feld liegt und den Blick verträumt mitten in den Himmel richtet. Zwei auf einer Flöte gespielte Noten bestimmen das Motiv des Stückes, und sie verbreiten genau dieselbe Art von Melancholie, wie man sie auf den jüngeren NO-MAN-Alben vorfindet, insbesondere auf "Together We're Stranger". Dazu ein Rauschen im Hintergrund - ein surreal-verträumter Startpunkt.
Besprochen wird das Reissue*, auf dem sich leichte Änderungen vollzogen haben gegenüber der Erstauflage. Die zweite Disc wurde eingespart und entsprechend fehlt auch der THE SQUARE ROOT OF SUB-Remix "Snakebird". "A Grapefruit In The World Of Park" hingegen wurde auf die ansonsten unveränderte erste CD hinübergerettet. Der Titel basiert auf einer multimedialen Art Performance der Avantgarde-Künstlerin und Lennon-Witwe YOKO ONO aus dem Jahr 1961. Auf einem Tape werden hier Sachen gemurmelt und wie vom Wahnsinn besessen gelacht, es wird über das Schälen einer Grapefruit sinniert und dazu dissonante Musik gespielt, Zitronen ausgequetscht und die Haare eines toten Kindes gezählt. Das Stück lässt sich der in den 60er und 70er Jahren aufkommenden Strömung Fluxus (ursprünglicher medizinischer Begriff für "fließende Darmentleerung") zuschreiben, die den Dadaismus von Anfang des 20. Jahrhundert wiederentdeckte und neu interpretierte.
Dies lässt den Schluss zu, dass auch bei BASS COMMUNION aus dem Bauch heraus musiziert wird und die recht unangenehme Assoziation der Darmentleerung könnte genau genommen kaum besser den Kern von Drone im Allgemeinen und BASS COMMUNION im Speziellen beschreiben. Die bassgrundierte, subliminale, eben fließende Struktur insbesondere von "A Grapefruit In The World Of Park", das sich ein 15-Sekunden-Sample von Robert Fripp zu eigen macht, um ätherisch zirkulieren zu können, steht dafür Pate.
Zwischen "16 Second Swarm" und "A Grapefruit In The World Of Park" lassen sich noch vier weitere Stücke entdecken: "Grammatic Oil" ist fast tonlos, vollkommen unmelodisch jedenfalls, dafür mit dumpfen Anschlägen, die es rhythmisch machen. Die Elektronikeffekte kommen den spannungsschürenden Momenten in den Soundtracks von John Carpenter ("The Thing", "Prince Of Darkness", "The Fog") gleich.
"Drugged III" ist ein Rückbezug auf die beiden "Drugged" getauften Titel des ersten Albums und klingt fast identisch, so dass sich das Motiv langsam wie ein roter Faden durch das Gesamtwerk zu spannen ankündigt.
"Dwarf Artillery" beginnt mit Herzschlagrhythmus und unheilvollen U-Boot-Signaltönen. Es gesellt sich ein flacher Beat hinzu, während sich irgendwo weit in der Ferne die Elektronika immerzu verwandeln.
"Wide Open Killingfield" macht seinem Titel insofern alle Ehre, als dass scharfe, rauschende Winde und darin klappernde Gegenstände seine Atmosphäre bereitstellen. In diesen 13 Minuten wird das träumerische Leitmotiv des Albums - wenn schon nicht auf den Punkt gebracht - dann doch ausufernd zelebriert.
FAZIT: "II" macht schon einen etwas verstreuteren Eindruck als das streckenweise doch noch an Musik (im gebräuchlichen Sinn) erinnernde "I", ist aber immer noch "musikalisch" in dem Sinne, als dass Noten gespielt werden, oft als wiederkehrende Abfolgen. Große Passagen jedoch leben von reiner atmosphärischer Reproduktion, verursacht durch Wind, verwaschene Elektronika und sonstige Effekte. Dumpfe Beats, die Herzklopfen imitieren, verursachen zwischendurch Horrorstimmung, bevor das Träumerische wieder das Zepter übernimmt. Wenn die Magenkapseln mal nicht anschlagen, hilft ein BASS COMMUNION-Album jedenfalls immer zuverlässig. Und dabei ist es fast egal, welches, befindet sich der Output dieses Projektes doch in einem einzigen <span style="font-style: italic;">Fluxus.
*(das Reissue erschien 2002. 2008 kam dann eine weitere Neuauflage inklusive "III". Der Übersichtlichkeit und Chronologie wegen wird oben das Originalveröffentlichungsdatum angegeben.)</span>.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.08.2010
Steven Wilson (alles), Theo Travis (Flöte, Saxophon), Robert Fripp (Sample auf "A Grapefruit In The World Of Park")
3rd Stone
71:34
1999