Das Credo, das sich CHAIN REACTION diesmal ausgedacht haben, ist denkbar simpel. Der Titel "Cutthroat Melodies" klingt nach einer Version von "Melodien für Millionen" für Typen, die sich mit einer Machete rasieren. Ohne Umschweife schnurstracksgeradeaus befördert schon der Titel alleine mit nie versiegenden Riffwellen an den Strand, und im Gegensatz zur Kreiselei des Vorgängers "Vicious Circle" heißt die Devise nun ganz klar: vorwärts!
Die Polen spielen glasklaren Modern Metal mit Groove- und Thrashfragmenten, wobei das "Modern" ganz entschieden nicht in der Lesart von Trendanbiederung verstanden werden sollte. Lediglich konzentrieren sie sich auf einen Gegenwartssound in Abgrenzung zum Klischeeprog, der in die Zukunft stiert, respektive zum Klischeethrash, der von der vergangenheitsbezogenen Fixierung auf SLAYER, PANTERA und METALLICA nicht loskommt.
Die grundsätzliche Unvergleichlichkeit mit anderen Bands wird einerseits dadurch erreicht, dass man exakt im Querschnitt eines Genre-Feldes musiziert, das gigantisch groß ist, wodurch eine gewisse Unsichtbarkeit erreicht wird. Andererseits wiederum spielen CHAIN REACTION so prägnant, zielgerichtet und durchgestylt, dass es nur weniger CD-Durchläufe benötigt, um "Cutthroat Melodies" in voller Gänze verinnerlicht zu haben.
Daran hat ein regelrechtes Riffgewitter Anteil, das praktisch jeden der elf Songs vollkommen bestimmt, selbst diejenigen, die mit vermeintlich zarten Akustik-Instrumentalteilen beginnen und als solche auszulaufen drohen. Der rhythmusorientierte Aufbau der Stücke bietet Platz für Soundskulpturen, die im Wesentlichen von der Rhythmus-Gitarre geprägt sind und bei denen Soli kaum stilprägend sind. Dazu gesellt sich die vielseitige Produktion: mal entwickeln tiefgestimmte Gitarren mit vergleichsweise geringer Distortion eine blecherne Hohlkörperakustik, dann mutieren die gleichen Instrumente zu messerscharfen Schneidwerkzeugen, die dem Titel des Albums alle Ehre machen. Spielt der ansonsten relativ statisch heiser schreiende Bartosz Szarek dann mal sein Organ aus wie in "Class 'A' Prisoner", erreicht der Abwechslungsgrad ein neues Limit.
Die zuletzt platzierten Songs "No Logo", "When Road & Booze Collide", "Intra Vires" und "Even If" zollen insbesondere dem staubtrockenen Stoner Rock um KYUSS Tribut sowie dessen Einflussgebern aus den Siebziger Jahren. Tatsächlich nimmt Szareks Gesang hier eine Ähnlichkeit mit MASTODONs Troy Sanders auf "Crack the Skye" an; ein Album, das in eine ähnliche Richtung wollte.
FAZIT: Aus dem Kopfnicken kommt man bei "Cutthroat Melodies" so schnell nicht mehr heraus, wenn man einmal angefangen hat. Zu gnadenlos schicken die Polen ein Riff nach dem anderen ins Rennen und machen aus ihrer neuen Platte einen klassischen Nackenbrecher im Feld zwischen Modern-, Groove-. Thrash-Metal und Stoner Rock. Ausfälle, die aus dem Rhythmus bringen, gibt es nicht. Zwar rocken CHAIN REACTION bloß innerhalb des "blinden Flecks" des Metals, so dass sie selber für Folgegenerationen eher unsichtbar bleiben. Doch an ihnen kann man wunderschön ablesen, was für eine Attraktivität geradliniger, riffgesteuerter Metal von heute ausüben kann.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.05.2010
Michal Michalski
Bartosz Szarek
Piotr Przygoda, Daniel Lechmanski
Lukasz Konarski
Kolony Records
43:33
04.06.2010