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Clandestine: The Invalid

Stil: Moderner Metal

Cover: Clandestine: The Invalid

Diese US-Westküstler werden mancherorts als Hoffnung für den zeitgenössischen Progressive Metal gehandelt, wohingegen die erste Berührung mit den Lauschern dieses Rezensenten einen anderen Eindruck hinterlässt: "Fearless" und "Disappear In You" begrüßen ihn als rhythmisch dezent verspielte Alterna-Rocker mit großmütigen Refrains. Auf dieser Linie geht es auch weiter.

CLANDESTINE klingen nicht so klammheimlich, wie der Bandname vermuten lässt, aber auch nicht so vorhersehbar, als dass man von einem unerheblichen LACUNA-COIL-Klon sprechen müsste. Davon distanziert "The Invalid" sich weitgehend, obwohl die Schöpfer durchaus die gleiche Zielgruppe ansprechen dürften. June und Dan haben produziert, komponiert und auch die synthetischen Sounds zu verantworten, welche ein wichtiger Pfeiler des Klanggerüsts ihrer Gruppe darstellen. Der DIY-Ansatz wusste Sylvia Massy zu überzeugen, die die Abmischung der Scheibe übernahm, was insofern ein gutes Stichwort darstellt, da sie auch schon für die Nachbarn TOOL an den Reglern saß. Ein musikalisches Orientalistik-Studium wie die Mannen um Maynard James Keenan haben CLANDESTINE wohl nicht abgeschlossen, doch das tonale Vokabular der Band ist ein ähnliches: Gitarrenriffs bestimmen das Bild, Leads haben das Nachsehen, und die Frontdame schlängelt sich bisweilen - etwa im drückenden Mittelteil von "Dead to the World" - wie ein Reptil in die Ohrmuscheln des Hörers. "Silent Sin" schlägt wenige sachtere Töne an; generell geht das altbekannte Laut-Leise-Spiel für das Quartett auf, weil man sich eine gesunde Unberechenbarkeit bewahrt hat. Die Songs bleiben andererseits relativ eingängig, was man nicht mit kalkulierten Radioformaten gleichsetzen sollte, derer man auf dem Album eher nicht vorfindet. "Philistine" schrammt mit kratzigem Keifen und ordentlich nach vorne preschendem Thrash am Core gleich welcher Couleur vorbei geradewegs in einen hymnischen Chorus, wobei die Wechsel sich so schnell vollziehen, dass alles andere als ein plumper Fistraiser dabei herauskommt. Kurze Drumloops animieren auch nicht zum Tanzen, sondern betonen das spacige Element der Künstler. CLANDESTINE bestreiten also einen Mittelweg: Zugänglichkeit ohne Kürzung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner mit sich nach Seichtem sehnenden Konsumentenvolk.

Mit dem sich langsam aufbäumenden "Pretend" sowie dem von zart melodischen Basstappings geprägten "Phantom Pain" zeigen CLANDESTINE, dass sie sich nicht auf plumpes Hin und Her festlegen lassen möchten. Hier kommen die durchweg hörenswerten Lyrics besonders gut zum Tragen, und man wünscht sich, die Band handhabte die Dynamik häufiger auf solch bedachtsame Weise; erst zum Ende hin erhält das Stück Fahrtwind, ohne in jemandes Kielwasser zu schwimmen - einer der wenigen Momente der Scheibe, die wirklich berühren können. Interessant ist zudem der experimentelle Ansatz des besonders technoiden Folgestückes, in dem zunächst ein tickender Wecker den Takt vorgibt. Bösartige Schreie wechseln sich daraufhin vor gitarristischen Morsecodes mit der kräftigen Normalstimme von June ab, und ein seltenes Gitarrensolo darf ebenfalls bestaunt werden. Das unbestreitbare Highlight stellt der Schlusssong dar: mit pianistischen Übungen und einer Melodieführung nebst Rhythmik, die den Größen des Frühneunziger Prog-Metal ebenbürtig ist. Am Ende geht die Sonne auf - hiervon bitte mehr!

FAZIT: Auf "The Invalid" befindet sich noch etwas zu viel Animationsmusik für das Gymnastiktreffen emanzipierter Rockerinnen, um CLANDESTINE als Wachablöse am Modern-Hardprog-Thron zu empfehlen. Wer jedoch auf eine bombig klingende, zeitgemäße Scheibe intelligenter Rocksongs von noch nicht gänzlich freien Visionären (DEFTONES oder MUDVAYNE hätten hier und dort auch Pate stehen können) zu schätzen weiß, wird von dieser begeistert sein. Im Auge behalten …

Punkte: 9/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.05.2010

Tracklist

  1. Fearless
  2. Disappear In You
  3. Silent Sin
  4. Philistine
  5. Pretend
  6. Fracture
  7. Dead to the World
  8. Phantom Pain
  9. The Invalid
  10. Comatose

Besetzung

  • Bass

    Mark Valencia

  • Gesang

    June Park

  • Gitarre

    Dan Durakovich

  • Schlagzeug

    Sammy Watson

Sonstiges

  • Label

    Just For Kicks

  • Spieldauer

    45:40

  • Erscheinungsdatum

    30.03.2010

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