CRADLE OF FILTH scheinen mit „Darkly, Darkly, Venus Aversa“ beweisen zu wollen, dass sie nach Ausflügen in etwas gemäßigtere Gefilde immer noch zu den extremen Metal-Bands gehören. Zwar leitete bereits der Vorgänger „Godspeed On The Devil’s Thunder“ die Rückkehr zur Schnelligkeit ein, aber mit solch einem Inferno, wie es am Anfang des neuen Albums losbricht, konnte man dennoch nicht rechnen. Ganze vier Tracks lang prügeln sich CRADLE OF FILTH buchstäblich um den Verstand. Dem Hörer gönnt man kaum eine Verschnaufpause, unbarmherzig wird eine Knüppel-Passage an die andere gereiht. Jetzt mögen alte Fans frohlocken, allerdings wirken diese ersten vier Nummern ein wenig unstrukturiert, hektisch und chaotisch. Immerhin macht „One Foul Step From The Abyss“ noch durchaus Sinn, und „Retreat Of The Sacred Heart“ kann mit einem schönen, zweistimmigen Gitarrenpart punkten, ansonsten mangelt es an wirklich griffigen Momenten. Das eigentlich für diese Band typische Feeling, welches man in etwa mit „IRON MAIDEN zocken in völlige Raserei verfallen pechschwarzen Thrash“ beschreiben könnte, will nur selten aufkommen. Dazu mangelt es auch an den markanten Leads, stattdessen beschränken sich die Gitarren meist auf Rhythmusarbeit, während das Keyboard dominanter klingt. Man hat eher den Eindruck, ein durchgeknallter Drummer und Keyboarder würden sich gemeinsam mit Blastbeats und kaputten Spieluhren in den Wahnsinn treiben. Das sorgt zwar durchaus für offene Münder, abwechslungsreiches Songwriting sieht jedoch anders aus.
Nachdem man die vier Prügelorgien überstanden hat, scheinen sich CRADLE OF FILTH jedoch plötzlich der gesammelten Erfahrungen der letzten Werke zu erinnern (oder dass man auch diese Fangruppen zufrieden stellen möchte). „The Persecution Song“ bringt mit melodischen Gitarren, stampfenden Midtempo-Passagen und bombastischen Horror-Orchestrierungen das erste Mal Abwechslung ins Spiel. Und diese wird auch im folgenden ganz groß geschrieben: „Deceiving Eyes“ zeigt, wie man schnelle, extreme und gemäßigte, atmosphärische Parts zu einem schlüssigen Song verknüpfen kann, und auch die typischen, rasenden Leads sind endlich wieder verstärkt zu hören. Auch „Lilith Immaculate“ verbindet in ähnlicher Weise alle bekannten Trademarks zu einem sehr abwechslungsreichen Track, nur dass der Band in diesem Fall ein richtiger Hit gelungen ist. Blastbeats, schnelle und getragene, melodische Passagen verbinden sich zu einer bombastischen, eingängigen Hymne. Sogar Dani Filth versucht sich ansatzweise an dezent melodischem Gesang. Zwar keift er immer noch überaus giftig, passt sich aber sehr wirkungsvoll der musikalischen Vorlage an.
Auch die folgenden Tracks werden sehr kurzweilig in Szene gesetzt und wechseln ständig zwischen rasenden, schnellen und treibenden Passagen. Einen wirklichen Hit liefern CRADLE OF FILTH aber nur noch mit „Forgive Me Father (I Have Sinned)“ ab, einer sehr melodischen Nummer an der Grenze zum Gothic Metal. Dani Filth „singt“ wieder ein wenig mit dramatischer Stimme, was gar nicht schlecht klingt, sich aber meist auf einzelne Wörter beschränkt.
Erwähnen sollte man noch den weiblichen Gesangspart, CRADLE OF FILTH verzichten auf opernhafte oder liebliche Vocals. Die an einigen Stellen eingesetzte Dame spricht meist eher gebieterisch oder steuert nur ein paar Melodiefetzen mit angenehm natürlicher Stimme bei.
FAZIT: „Darkly, Darkly, Venus Aversa“ hinterlässt einen zweigeteilten Eindruck. Meiner Ansicht nach klingen CRADLE OF FILTH immer dann am besten, wenn es ihnen gelingt, ihre extreme Seite mit starken Melodien und griffigen Songstrukturen zu verknüpfen. Etwa die Hälfte des Materials erfüllt diese Erwartungen, der Gesamteindruck wird jedoch auch stark durch den Beginn geprägt, wo die Band ununterbrochen Hochgeschwindigkeitsorgien feiert. Diese Songs wirken im Gegensatz zum Rest eindimensional und lassen das Album ein wenig zerrissen erscheinen. Mir persönlich wären ein paar mehr mitreißende Hits im Stile von „Lilith Immaculate“ lieber gewesen. Besonders was Abwechslung und Eingängigkeit betrifft, haben CRADLE OF FILTH auch schon bessere Werke abgeliefert, trotzdem ist „Darkly, Darkly, Venus Aversa“ unter dem Strich ein gelungenes Album geworden.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.10.2010
Dave Pybus
Dani Filth
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Peaceville
62:20
29.10.2010