Vor zwei Jahren konnten DEAR JOHN LETTER mit dem unglaublich liebevoll gestalteten „Between-Leaves - Forestral“ (handvernähtes Booklet!) begeistern. Das Augsburger Ensemble zelebrierte intelligenten Postrock, der nicht bloß auf technischem Firlefanz und massiven Soundwällen, sondern hauptsächlich auf zündenden Ideen und songschreiberischer Finesse beruhte.
Auch „Part & Fragment“ bietet ein außergewöhnliches Artwork. Klappt man das auf fester Pappe gedruckte Digipack auf, entfaltet sich die mit vielen liebevollen Details ausgestattete Kulisse der Augsburger Altstadt, in welche sämtliche Songtitel eingearbeitet wurden. Den handgemachten Charme des Vorgängeralbums erreicht das neue Artwork zwar nicht, aber wenn man bei einem Label veröffentlicht und auch in größerer Stückzahl produziert, sind ein paar Zugeständnisse natürlich notwendig. Vor allem im Vergleich zu sterilen Photoshop-Coverbildern, die seit Jahren inflationär aus dem Boden sprießen, stellt „Part & Fragment“ immer noch eine wohltuende Abwechslung dar.
Musikalisch hat sich bei DEAR JOHN LETTER doch einiges geändert. Das Quintett lässt es lockerer und eingängiger angehen und spielt von leichter, stets unverkrampfter Melancholie angetriebenen Art Rock mit leichter Krängung in bloß dezent postrockig aufgewühlte Alternative-Gewässer. Martin Fischers Gesang legt sich wie eine sanfte Brise über das Instrumentarium und lullt den Hörer unter dem Kopfhörer ein. Was hier fehlt, sind die emotionalen Ausbrüche, die einen wachrütteln und aufhorchen lassen. „Part & Fragment“ fließt angenehm wie warmes Wasser um die Ohren und mit dem Wille zur Entspannung sind immer noch viele feine Details im Sound auszumachen, doch geht dem neuen Album die urwüchsige, emotionsgepeitschte Kraft ab, die „Between-Leaves - Forestral“ einst auszeichnete.
FAZIT: Fans von PORCUPINE TREE und OCEANSIZE müssen hier ein Ohr riskieren. Anhänger des Vorgängeralbums machen den Schritt zum eingängig-melancholischen, alternativ angehauchten Art Rock vielleicht nicht mit. „Part & Fragment“ ist alles in allem eine Enttäuschung, denn obwohl DEAR JOHN LETTER sich immer noch als gute Band präsentieren, haben sie ihre Ausnahmestellung mit diesem Album leider verloren.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.10.2010
David Grüner
Martin Fischer
Dominik Baur, Maximilian Stephan
Dominik Baur, Maximilian Stephan
Jakob Mader
Dominik Baur (Noise), Jakob Mader (Percussion, Stabspiele)
Labelship/Broken Silence
59:24
15.10.2010