In den letzten Monaten sind im Bereich elektronischer Musik beziehungsweise angrenzenden Genres Alben erschienen, die häufig mehr Wärme und Emotionen vermitteln als die neuste von den Sneaps und Madsens dieser Welt klangdesignte Überschallgranate angeblicher Metalbands. Das italienische Duo DEFLORE schließt sich diesem Trend mit seinem neuen Album an.
Die beiden Protagonisten sind bereits mit dem Umfeld der EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN in Berührung gekommen und bedienen sich zur Klangerzeugung nicht erst seit jenem Zeitpunkt alltäglicher Gegenstände sowie konventioneller Instrumente in Gestalt von Gitarre und Bass, welche beide speziell weite Teile von "Morbo 32" bestreiten. Im Gegensatz zum Opener - eingeleitet von einem Sample aus dem 1999er Drogenfilm "Grass" und nicht wirklich aufgelöst über "Krieg der Welten"-Auszüge von Orson Welles - ist der Track textlich rein assoziativ gehalten: eine Frauenstimme zeichnet düstere Zukunftsvisionen im Gedankenstrom-Verfahren; diese entsprechen dem Stimmungsbild von "2 Degrees of Separation" ohnehin nur zu gut. Das noisige Zwischenstück "Electropause" bildet die Ausnahme von der ansonsten nicht harschen, bisweilen gar postrockig anmutenden Regel, denn das Album tönt auch weiterhin human. "Doppiogerro" gerät noch nicht wie anfangs vermutet zum Klangwall, und auch im Folgestück spielen Ceccarelli und Lodovico mit Hörererwartungen, indem sie ihn den Titel "Trilogy" mit der Komposition - einem relativ lichten Schleicher aus schwerfälligen Gitarrenriffs - nicht direkt nachvollziehen lassen.
Erst "Industrial Glamour" bestätigt, was man bereits zuvor ahnte: DEFLORE sind die etwas andere, ungleich tiefgründigere Dark-Electro-Formation, die sich nicht mit SM-Klischees oder Disco-Chic abgibt. "2 Degrees of Separation" mag nicht tanzbar sein, doch dafür spricht es die Sinne an und beflügelt neben dem Filmapparat im Kopf auch kritische Gedanken ans eigene Handeln. Wenn am Ende des Abschlusstracks die Soundwand wirklich zusammenstürzt, stirbt auch die Illusion vom guten Menschen ein Stück weiter. Das man dazu nicht etwa verstiegene Soundinstallationen braucht, sondern richtig schlüssige Songs schreiben darf, sollten sich andere sogenannte Künstler jedweder Stilistik hinter die Ohren schreiben.
FAZIT: DEFLORE empfehlen sich mit ihrem negativen Weltbild auch dem Metal-Misanthropen, der in den dunklen Songs (!) mit synthetischem Fundament und aber ohne Ambient-Quatsch mehr Herbstwärme spüren wird als bei den üblichen Bauerngothic- und ProTools-Core-Verdächtigen - heiße Suppe vom Tellerrand!
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.06.2010
Christian Ceccarelli
Emiliano Di Lodovico
Christian Ceccarelli, Emiliano Di Lodovico (samples, fx, synths)
Subsound Records
43:10
28.05.2010