Das bekannteste musizierende Barett Deutschlands neben Klaus Meine stammt aus den Reihen von … na? Aber, aber … Nachholbedarf in Sachen German Progrock gefällig? Diese Doppel-DVD hilft.
ELOY werden hierzulande mehr für die zu Anfang arg zu wünschen übrig lassende englische Aussprache belächelt als gerade etwa in Amerika, wo man in den letzten Jahren ein großes Herz für sogenannten Krautrock bezeugt hat. Dessen ungeachtet feierte die steten Wandlungen unterworfene Band zu Hause teils riesige Erfolge, welche unter anderem auf der ersten DVD von "Legacy" abgefrühstückt werden. Schnell stellt sich Frank Bornemann als Kapitän auf stürmischer See heraus: Nicht nur emotional war und ist der Mann ELOY stark verbunden; er stellt zudem mehr oder minder die einzige Besetzungskonstante dar und sorgte gleichzeitig für die stilistische Stringenz, welche ELOY all die Jahre ausgezeichnet hat. Dabei begann wie so oft alles mit dem aus England herübergeschwappten Beat. Gleichzeitig, da die Hammondorgel Einzug erhielt, erfuhr die Musik eine Rundumerneuerung: ausgefeiltere Songstrukturen und ausschweifende Instrumentalpassagen brachen sich Bahn, alldieweil die Musiker hinter ELOY niemals fürs "Abdrücken" bekannt waren. Dies lässt sich einmal mehr auf den bisweilen esoterisch wirkenden Bornemann zurückführen, in dessen Brust stets ein echtes Herz statt eines Metronoms schlug, der sich auf Gesellschaftskritik verstand ("Power and the Passion"), statt Akkordtabellen auswendig zu lernen. Zwangsläufig kam es im Laufe der Bandkarriere zu allem, was auch anderen Protagonisten der Ära widerfahren ist: verstiegene wie legendäre Konzeptplatten, Gratwanderungen zwischen Studiomöglichkeiten und der entsprechenden Bühnenumsetzung, relativ im Rahmen verlaufende Stilbrüche ("Colours") oder Chart-Koketterie wie im Falle von "Wings of Vision". Bornemann, Rädelsführer aus Leidenschaft, stellt die Dynamik heraus, welche sich gerade wegen der unzähligen Besetzungswechsel ergab. "Dawn" gilt nicht nur ihm als Schlüsselwerk der Band, und auch "Performance" wird von seinen Kollegen als gewollt modernes Album abgenickt; womöglich ist es ihr persönliches "Turbo", um einmal ins metallische Birmingham zu verweisen.
Vor den Fallstricken der Eighties waren ELOY also genauso wenig gefeit, wie es weiterhin unweigerlich zu einem Zuwachs an Härte kommen musste ("Chronicles"), mit dem die Band gleichzeitig den Sprung in die Aktualität schaffte. Umso bedauerlicher ist die anhaltende Funktstille, welcher beizukommen Bornemann am Ende der Dokumentation verspricht. Der Schlussakkord ist also ein durchaus zuversichtlicher, weshalb die arg drögen Bandvideos, zu finden auf der zweiten Scheibe, eher als Fan-Zubrot zu sehen sind. Unterhaltsam gestalten sich hier allein die Bonustracks in Form eines hippiesken Müllplatz-Jams aus der ganz-ganz-Frühphase sowie die abschließenden, tatsächlichen Livetracks. Das Bild stimmt, der Schnitt stimmt, und wenn man sich an die pompösen und nach "Krieg der Sterne" anmutenden Intros gewöhnt hat, steht einer Nachbearbeitung deutscher Popularmusikgeschichte in eigenen Wohnzimmer nichts mehr im Wege.
FAZIT: "Legacy" ist Pflicht für jeden Interessenten am Prog aus deutschen Landen, wobei Fans unbedingt auf eine der diversen Special-Editions dieser Box zurückgreifen sollten. ELOY haben hiermit eine sehr wertige Dokumentation abgeliefert, die vielleicht nicht viel Neues für Altvertraute offenlegt, aber dennoch uneingeschränkt für Kurzweil sorgt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.12.2010
ASR
ca. 215:00
10.12.2010