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Exodus: Exhibit B: The Human Condition

Stil: Thrash Metal

Cover: Exodus: Exhibit B: The Human Condition

Ich war nie ein Fan von EXODUS und werde es in diesem Leben wohl auch nicht mehr werden. Das mag auch daran liegen, dass mir der Thrash europäischer Prägung immer näher ging, als das Geprügel aus der Bay Area. Trotzdem - das sei an dieser Stelle vorweg genommen - stehen unterm Strich zwölf absolut gerechtfertigte Punkte für "Exhibit B: The Human Condition" zu Buche, denn auch wenn mich das Album nicht unbedingt tief im Inneren berührt, so ist es doch eine richtig starke, zeitlos gute Platte, die Bay Area Thrash in seiner reinsten Form zu bieten hat.

Die Gründe, warum EXODUS mich mit dem Album begeistern, sind vielfältig. Fangen wir also beim ersten Eindruck, dem Coverartwork an. Es zeigt sozusagen das Negativ und die Perversion des Bildes des vitruvianischen Menschen von Leonardo da Vinci. Der Mensch ist nur noch ein sprengstoffgürtel-tragendes Skelett, der fünfzackige Stern ist auf den Kopf gestellt und mit Blut gezeichnet und an acht Armen werden die Waffen gehalten, die der Mensch heutzutage benutzt, um sein Bedürfnis nach Blutvergießen zu stillen. Die Gewalttätigkeit der Menschheit, die zentrales inhaltliches Thema des Albums ist, wurde selten so gekonnt dargestellt. Kommen wir zum ersten akustischen Eindruck, der sich auf den Sound der Platte bezieht. Andy Sneap wird ja gerne wegen seiner angeblich zu sterilen Produktionen kritisiert und manch einer verurteilt ein Album allein schon dann, wenn der Name Sneap darauf auftaucht. Diesen Kritikern stopft "Exhibit B: The Human Condition" das Maul, denn über weite Strecken ist der Sound nahezu perfekt. Selten war ein Bass konstant so deutlich zu hören, ohne überpräsent zu sein und auch die Drums knallen ohne Ende. Zwar hat man sicherlich auch schon mal einen besseren Gitarrensound gehört, aber der Gesamteindruck ist trocken und organisch, dabei aber immer druckvoll und bretthart.

Über jeden Zweifel erhaben ist die Gitarrenarbeit der Herrn Holt und Altus. Brutale Riffs, old schooliges Geschredder und feine Soli geben sich die Klinke in die Hand. Huntings Getrommel ist akzentuiert und effektvoll und ist mehr als die bloße Vorgabe des Rhythmus. Und letztendlich passt Rob Dukes Gebrüll zur Musik wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer, darüberhinaus überrascht der Giftzwerg mit einigen unerwarten melodischen Passagen, wie dem recht hoch gesungenen Refrain in "Democide" - ob er den live auch so hinbekommt? Damit wären wir bei den Songs selber angekommen. EXODUS reizen die Kapazität einer normalen Audio-CD mit fast 74 Minuten voll aus und Sieben-Minuten-Nummern sind eher Regel als Ausnahme. Das verlangt vom Hörer deutlich mehr Konzentration, als eine Standardscheibe mit 45 Minuten. Allerdings ist das angesichts der Güte der Songs auch kein wirkliches Problem. Zu meiner Freude sind gut zwei Drittel des Albums im oberen Geschwindigkeitsbereich angesiedelt - und zu meiner großen Überraschung sind ausgerechnet zwei Songs meine Favoriten, die entweder langsamer oder sperriger sind, nämlich das hochmelodische "Downfall", das garantiert eine Livegranate wird sowie das überlange "The Sun Is My Destroyer" (zum Glück wohl kein Vampir-Song...), das mit rasend schnellen Gitarren auf der einen Seite und einem saucoolen, spacigen Stoner-Part auf der anderen punktet.

EXODUS beherrschen die Kunst, auch längere Songs (allein schon die ersten beiden Nummern dauern zusammen fast 15 Minuten) stets interessant zu halten, was auch ein Verdienst der guten Soli ist. Da erscheint ein schnörkelloser Dreieinhalbminüter wie "Hammer And Life" schon fast langweilig und verzichtbar. Neben dem Instrumental "A Perpetual State Of Indifference" bleibt er aber der einzige nicht ganz zwingende Song. Das eröffnende "The Ballad Of Leonard And Charles" ist natürlich keine Ballade, sondern ein stoischer, humorloser Thrasher mit recht tief gestimmten Gitarren, das folgende "Beyond The Pale" ist melodischer, nicht ganz so bös und dürfte auch live sofort zünden. Höchst aggressiv und mit lässigem Refrain kommt "Class Dismissed (A Hate Primer)" daher und das furiose "Burn, Hollywood, Burn" ist perfekt zum Mitgrölen geeignet - wenn man das in der Geschwindigkeit hinbekommt. Zwei weitere echte Highlights sind aber das angepisste und sofort in die Fresse schlagende "March Of The Sycophants" sowie das düster-melodisch schleppende, an METALLICA in den 80ern erinnernde "Nanking".

FAZIT: "Exhibit B: The Human Condition" ist der perfekte Balanceakt zwischen Bay Area Thrash der alten Schule und zeitgemäßem, knallhartem Metal und somit ein zeitlos gutes Album. Ein unglaublich toller Sound und enormer Abwechslunsgreichtum sorgen dafür, dass EXODUS im Duell um die beste Thrashplatte des Jahres (die Gegner heißen HELLISH CROSSFIRE, HEATHEN und OVERKILL) ein gewichtiges Wörtchen mitreden.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.05.2010

Tracklist

  1. The Ballad Of Leonard And Charles
  2. Beyond The Pale
  3. Hammer And Life
  4. Class Dismissed (A Hate Primer)
  5. Downfall
  6. March Of The Sycophants
  7. Nanking
  8. Burn, Hollywood, Burn
  9. Democide
  10. The Sun Is My Destroyer
  11. A Perpetual State Of Indifference
  12. Good Riddance

Besetzung

  • Bass

    Jack Gibson

  • Gesang

    Rob Dukes

  • Gitarre

    Gary Holt, Lee Altus

  • Schlagzeug

    Tom Hunting

Sonstiges

  • Label

    Nuclear Blast GmbH

  • Spieldauer

    73:51

  • Erscheinungsdatum

    07.05.2010

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