Die Natur folgt nicht selten außergewöhnlichen mathematischen Regeln, etwa Fermats letztem Satz oder eben der Fibonacci-Folge. In der Musik haben sich TOOL bereits von letzterer beeinflussen lassen, während sich diese neue Zusammenrottung gleich namentlich dem zugrundeliegenden Wachstumsprinzip unterwirft.
Ein entspanntes "Commencement" weist den Weg: FIBONACCI SEQUENCE gehen rein instrumental und dabei sehr harmonisch vor. Chris Kringel, einst im B-Kader von CYNIC, ließ der Scheibe einen warmen Sound angedeihen, der gar nicht so weit von dem entfernt ist, was Basskollege Sean Malone mit GORDIAN KNOT fabriziert. Vorgehensweise und Instrumentarium ähneln sich, indem die obligatrische Rockbesetzung um anheimelnde Keyboards sowie Streichersounds erweitert wird. Von "Neap Tide" sowie dessen fein austarierter Rhythmus- und Melodiearbeit können andere angehende Zahlenmaler ohne Sänger lernen, denn einen solchen braucht dieses motivisch prägnante Stück keineswegs. "Numerology" ist offenkundig keine sprachlose Entschuldigung der Band dafür, keinen Fronter gefunden zu haben, sondern in dieser Form beabsichtigt. "Primrose Path" verleitet allein durch seinen Groove und die tänzerische Melodie zum Swingen, schreckt jedoch ebenso wenig vor technischen Kabinettstückchen zurück, wie es eventuell nicht rockender Seichtheit entgeht. In eine solche verirren andere sich bisweilen, so sie sich im Stilfremden herumtreiben.
"Catlord" changiert nach der Hinführung "Dawn" äußerst wechselhaft zwischen harten Riffs und Leadgitarren- wie Keyboard-orientierten Parts, welche auf ein spannendes Ende ausgerichtet sind. Im weiteren Zwischenspiel "Illuminati" meint man, Obertongesang zu vernehmen; es bleibt jedoch bei diesem kurzen Moment, denn "Work in Progress" spricht erneut ganz allein über Saiten, Kessel, Becken und Tasten in traumhafter Verzahnung. Die großen Melodien gehen dem Stück ab, doch dafür gibt es den Neunminüter "Missing Time", welcher nach Klavierintro zu einem relativ bombastischen Epos mutiert, das orgelige Haken schlägt und FIBONACCI SEQUENCE in die Nähe von hartem Prog Rock rückt wie kein anderer Track. Dazu passt auch das zwischenzeitliche Flöten, bevor die Schlusskadenz fällt und Big Ben bimmelt. "Faunus" beginnt als rhythmischer Querschläger, hat aber über zwölf Minuten auch Zeit für akustische Augenblicke und ein versöhnliches Ende. Unter ähnlichen Zeichen steht "Io": quirlig und rhythmisch gewieft, temporeich wie bedächtigt spielen sich FIBONACCI SEQUENCE in einen gar nicht nach Studioprojekt klingenden Rausch, der anhält und zum erneuten Abspielen der Scheibe antreibt.
FAZIT: FIBONACCI SEQUENCE ist ein vielversprechender Einstand gelungen, der ohne Sänger und allzu vordergründige Metal-Bezüge nicht nach nudeliger Fusion-Mucke klingt und einen steten Drang nach vorne spüren lässt - sei es in kreativer Hinsicht wie auch die Härte des Materials betreffend: "Numerology" bietet fabelhafte Songs, die allesamt rocken und vor Ideen strotzen … Nach CANVAS SOLARIS ein weiteres Instrumental-Highlight 2010, auf dessen Nachfolger man sich jetzt schon freut.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.07.2010
Chris Kringel, Chad Burkholz
Michael J. Butzen
Jeff Schuelke
Tom Ford
Elizabeth Grimm (strings)
Just For Kicks
67:35
02.07.2010