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Fitzcarraldo: Lass Sein Was Ist

Stil: Postrock

Cover: Fitzcarraldo: Lass Sein Was Ist

Obwohl Jan Maier in der Besetzung unter „Gesang“ gelistet ist, darf man das im Falle FITZCARRALDOs nicht so eng sehen. Der wilde Klaus Kinski im gleichnamigen Werner Herzog-Film war ja auch für den ein oder anderen Scherz gut. Groß gesungen wird nämlich nicht auf „Lass Sein Was Ist“, dem zweiten Album der Aschaffenburger Band, nach dem Debüt „Herbst“ aus dem Jahr 2007.
Es gibt zwei kurze Erzählpassagen und einen noch kürzeren gesangsähnlichen Part („Du bist die Hoffnung. Ich bin der Abgrund“), der sich wie ein todesmetallischer Hilfeschrei an die Oberfläche bohrt, bevor er verhallt.

Der Tenor der eingesprochenen Sätze lautet in etwa, dass das Leben ein Puzzle ist, das man ständig neu zusammen setzen muss, bis sich die passenden Teile ergänzen. Manchmal muss man auch das ein oder andere Teil wegschmeißen. Ist nicht verkehrt; aber auch nicht gerade DIE essenzielle Wahrheit, die die Türen zum kosmischen Verständnis öffnet.
So beginnt die CD mit einem Erzähler, während im Hintergrund ein Klangteppich gewoben wird und anschwillt. Doch bevor wir uns in der Welt von SCHILLER, äh FITZCARRALDO, heimelig niederlassen, übernehmen ruppige Gitarren und scheppernde Drums die musikalische Leitung. Denn nicht tranceartige Chillout-Musik ist angesagt, sondern die satte Postrock-Dröhnung. Obwohl es FITZCARRALDO vor allem zu Beginn ganz ordentlich krachen lassen, wird der Zuhörer nicht von meterhohen Soundwällen erschlagen. Die Musik bleibt angenehm karg und von gelassener Zurückhaltung, die gekonnt Brücken von heftigeren Schüben zu ruhigen, eher kontemplativen Momenten schlägt. Dass es mitunter etwas hakelig zugeht, holtert und poltert, ist sympathisch und unterscheidet die Band von anderen Musikern ähnlicher Ausrichtung.

„Lass Sein Was Ist“ lässt genug Zeit zum träumen, lullt aber nicht ein und unterbricht den ruhigen Fluss der Besinnlichkeit gelegentlich durch impulsives Weckläuten. Oder, wie es die Band ausdrückt: „Manchmal ist das Leben einfach ziemlich scheiße, da kommt man nicht dran vorbei. Daher ist es immer schön einen Zufluchtsort zu finden. Bei uns ist es eben die Musik, mit der wir Klangwelten erschaffen, die uns in ganz andere Sphären katapultiert.“ Das trifft den Charakter FITZCARRALDOs ziemlich genau: sehr schön ausgedrückt, aber grammatikalisch alles andere als korrekt...

FAZIT: Wer Bands wie LEECH und LONG DISTANCE CALLING schätzt, kann mit FITZCARRALDO nicht viel verkehrt machen. Die Aschaffenburger sind etwas spröder als die beiden Genannten, was der Musik aber gar nicht schadet. So entgeht man der Gefahr, die Songs einerseits brachial zu verhackstücken, andererseits im Gleichklang traniger Sentimentalität zu versumpfen.
FITZCARRALDO liefern einen Soundtrack zu Filmen im eigenen Kopf, die zwischen gediegener, leicht experimenteller B-Action-Ware und flirrenden Traumsequenzen ihre wohlberechtigte Heimat besitzen.

Punkte: 10/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.03.2010

Tracklist

  1. Treibjagd
  2. Prima 5S
  3. Q
  4. Momentaufnahme
  5. Dämonen in uns
  6. Feuerwerk
  7. Lass sein was ist
  8. Nichts
  9. Du bist die Hoffnung. Ich bin der Abgrund

Besetzung

  • Bass

    Daniel Stenger

  • Gesang

    Jan Maier

  • Gitarre

    Jan Maier, Ulrich Kaindl

  • Keys

    Daniel Stenger

  • Schlagzeug

    Heiko Hümpfner

  • Sonstiges

    Jan Maier (Samples), Daniel Stenger (Laptop)

Sonstiges

  • Label

    Baxxbeatmusic

  • Spieldauer

    47:26

  • Erscheinungsdatum

    20.03.2010

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