(San) GIORGIO MAGGIORE – ein klangvoller Name … besonders wohl für Venedigurlauber, die schon einmal die Insel in der Lagune Venedigs besucht haben. Doch langsam aber sicher versteckt sich hinter diesem Namen auch Musik, die, wenn man ganz ehrlich ist, sicher nicht die Schönheiten der Insel San Giorgio Maggiore versinnbildlicht, sondern eher die unbekannteren Gassen, in denen sich langsam der Zerfall ankündigt und man den Schimmel an den Häuserwänden nicht mehr übersehen kann. Es ist nicht die Sonnenseite der Musik, die erklingt, sondern die der ahnungsvollen Dämmerung. Etwas beängstigend, etwas unheilschwanger, etwas finster – sie zieht den Hörer in ihren Bann, vorausgesetzt, er will nicht gerade in Ballermannmanier abfeiern oder in Jubel darüber ausbrechen, wenn Andere auf die Nase fallen, während man selber sich gerade im Sande suhlt. Das ist keine Musik für Leute, die nichts Schöneres als den Klang von Vuvuzelas kennen, besonders wenn die Engländer ein Tor gegen die Deutschen schießen, das ein blinder Schiedsrichter samt seinem Linienrichter nicht zu sehen vermag. Nein, es ist die recht ernste Musik eines ein wenig im (musikalischen) Abseits stehenden Italieners, der neben seinem Hang zum Krautrock und New Wave noch viele andere Stilelemente in ihr vereinigt – und zum ersten Mal komplett auf den Gesang verzichtet, was nicht unbedingt die schlechteste Entscheidung war.
Bereits das liebevoll gestaltete LP-Hardcover-Format, in dem sich die CD befindet, setzt große Erwartungen frei. Allerdings gehen diese in eine völlig andere Richtung. Ein Labyrinth aus Hecken, aus deren Mitte GIORGIO MAGGIORE ein wenig suchend aufblickt. Gibt’s hier doch ein entspanntes Sommeralbum zu hören? Nein, denn bereits der Titeltrack knüpft in seiner beängstigenden Atmosphäre deutlich an das Vorgängeralbum „Radioanima“ an. Hier wandert niemand durch ein Labyrinth – hier ist jemand in dem Labyrinth gefangen und sucht verzweifelt nach dem Ausweg. Und der klingt wie eine Kombination aus instrumentalem Krautrock im Stile von POPOL VUH oder AMON DÜÜL und depressiver MIKE OLDFIELD. Der absolute Anti-Sommerhit also. Nur wie soll man den beschreiben? Das fällt schwer – und selbst der Kritiker verfängt sich im Labyrinth von Formulierungen, die mitunter immer wieder in irgendeiner Sackgasse enden. Trotzdem ist es einen Versuch wert – und irgendwo muss ja ein Ausweg sein. Man braucht nur den treibenden Perkussion-Instrumenten, dem flirrenden Synthesizer und den sich manchmal seltsam in den Vordergrund schiebenden E-Gitarren folgen. Nach etwa 50 Minuten kommt man dann, vorausgesetzt man kannte die Musik von GIORGIO MAGGIORE schon, zu folgendem Ergebnis:
Diesmal hat MAGGIORE es geschafft – der Hörer verfängt sich nicht nur im musikalischen Labyrinth auf der verzweifelten Suche nach einem Ausweg, sondern er fühlt sich auch hineinversetzt in eine dunkel anmutende Filmmusik für einen verloren geglaubten Film Alfred Hitchcocks. Eine Fortsetzung von „Psycho“ in Kombination mit die „Vögel“. Jeder ruhige Moment kündigt bereits Bedrohliches an. Steht da ein Typ mit langem Messer hinter dem Duschvorhang? Oder ist es nur Einbildung? Verdüstert sich der Himmel vor schwarzen Raben? Oder sind das doch nur ein paar sich unheilvoll zusammenbrauende Gewitterwolken? Selbst die elektrische Gitarre fräst sich wie beim Chainsaw Massaker durch so einige Titel. Musik für Momente des Grauens – ohne wirklich grauenvoll zu wirken. Ähnliches empfand ich beim Hören der frühen Werke von TANGERINE DREAM, als sie mich mit „Alpha Centauri“ fast ratlos zwischen den Boxen zurück ließen und ich nicht wusste, ob ich begeistert oder frustriert sein sollte. Allerdings schlug der Pegel dann in Richtung Frust aus, weil ich mit „Zeit“ und „Atem“ in ihrer kompletten Langeweile nichts mehr anfangen konnte. Dagegen kommt in „La Danza Nel Labirinto“ trotz einiger eintöniger, bereits aus den Vorgängeralben bekannten Phasen nie wirkliche Langeweile auf. Die Musik fließt wie ein Strom, der sich mal schneller, mal seichter durch die Gehörgänge schlängelt. Manchmal aber schleppt sie sich nur dahin. Was fehlt, sind wirklich neue Impulse – und der ausschließliche Verzicht auf Gesang reicht diesbezüglich nicht. Ist das nun MAGGIOREs „Alpha Centauri“? Ich denke schon – und hoffe sehr, dass er ihm kein „Zeit“ folgen lässt!
FAZIT: Auf „La Danza Nel Labirinto“ drückt GIORGIO MAGGIORE die „Filter”-Taste, indem er aus seinem typischen Sound einfach den Gesang herausfiltert. Es fehlen aber ein paar neue Beigaben, Instrumentierungen, Ideen, die der Musik einen neue Richtung geben, neue Impulse setzen und überraschen. Die musikalische Suppe wurde nur aufgekocht – eine neu zubereitete und besser gewürzte würde wohl allen Freunden von MAGGIORE besser schmecken.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.07.2010
Giorgio Maggiore
Giorgio Maggiore
Giorgio Maggiore
Giorgio Maggiore
Astolfo The Parakeet Records
49:56
01.07.2010