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Godsticks: Spiral Vendetta

Stil: Progressive Rock

Cover: Godsticks: Spiral Vendetta

Produktplatzierung wird mit zunehmender Erosion eines wirklichen Untergrundes der Musikszene auch im Kleinen praktiziert: KINGSBANE und IN THE NAME erfahren neuerliche Aufmerksamkeit in Spezialistenkreisen, da wird genau denen sogleich "Spiral Vendetta" als akustisches Methadon angepriesen. GODSTICKS füllen die Lücke jedoch nur bedingt, in der sich besagte Kanadier demnächst angeblich selbst wieder breit machen wollen.

Diese britische Band liefert nach einer EP ein zartes Debüt ab, das eine Sozialisation der Musiker mit richtig fleischigem Hardrock undenkbar erscheinen lässt. Akustischer Rock - Widerspricht sich irgendwie selbst, nicht wahr? - und zugänglicher Jazz sind aus GODSTICKS' Sound nicht wegzudenken, wobei die Arrangements vor Details nur so strotzen. Die Trioaufstellung fordert den RUSH-Vergleich heraus, und wenngleich die Gruppe stilistisch nur marginal mit Lifeson und co. zu tun hat, bestellt sie prinzipiell ein ähnliches Feld: intelligente Kompositionen, erdacht für eine klassische Rockbesetzung, die dem Hörer nicht die Ohren abreißt, sondern auf Stimmungsvielfalt setzt und sich dabei an nur wenigen Stellen der Gefahr aussetzt, austauschbar zu klingen. Dies geschieht in den langen Leadphrasen der Gitarren vor sachte aufgebautem Rhythmusgerüst ("Unnerving Allure") oder in Augenblicken des allzu leutseligen Gesangsvortrags. Einzelheiten sind in diesem Kontext ein umso stärkerer Trumpf: In "Timshel" bestreitet ein Dame den Hintergrundgesang, ehe es mit "Norman" erstmals richtig knackt: virtuose Drumrolls der Peart-Schule, das Spotlight auf die Riffs gerichtet und etwas mehr Leben in der Gesangskabine. Wie dieser profitieren auch andere Tracks von GODSTICKS' Prinzip, ihre Stimmung im Laufe weniger Minuten zu revidieren, ohne dass die alsdann im Songwriting umgesetzen Wechsel unschlüssig wirken würden. Andere vergessene Gruppen fallen einem dabei ein: MAS OPTICA, die ebenfalls überwiegend aufs Übersteuern ihrer Amps verzichteten. DEATH & TAXES, gleichsam verblichene Exzentriker, waren hingegen bisweilen technischer ausgerichtet.

Die Marketingstrategie wird gewiss funktionieren und die Band zur richtigen Klientel führen. Beste Argumente liefert die Musik selbst, auf welche man zurückgeworfen ist, wenn es mit dem Image hapert. Also gilt: Texte lesen lohnt sich, zuhören statt konsumieren, und das vor allen Dingen wiederholt. Anderswo entlarvt man solches Gerede rasch als heuchlerisches Schöngetue - nicht so im Falle GODSTICKS, denn in ihnen verbirgt sich wenn auch wenig kommerzielles Potenzial, so doch inhaltliche Substanz der gehobenen Gewichtsklasse. Träumerischer Anspieltipp: das von Piano-Stakkatos dominierte "Withdrawn" mit weiten Melodiebögen aus Darran Charles' Mund; quirlig hingegen: in "R.R.R." kokettiert man über Bass sowie Orgel mit dem Progrock und schafft es dabei sogar, eingängig zu klingen. Dass die Künstler so spät aus sich herausgehen - "The Continuation of Livid" ist dem Titel zum trotz kein fahles, sondern virtuoses Instrumental - zeichnet ein leicht schizophrenes Bild der beiden Albumhälften, auch wenn dessen Abschluss eher balladesk ausfällt und damit die Brücke zu den ersten Tracks schlägt.

FAZIT: GODSTICKS musizieren abseits von Klischees und tatsächlich mit einer Attitüde, die den erwähnten Gruppen entspricht. Das klingt durchweg weder beliebig noch kalkuliert und besitzt nichts von der momentan allgegenwärtigen und häufig unangenehmen Indie-Flegelhaftigkeit, mit der man halbgare Schrammeleintöpfe zur Progsuppe hochkochen möchte. "Spiral Vendetta" ist ein überwiegend ruhiges Album, nicht einmal kühl distanziert wie oft bei Briten; die Freude damit wird von anhaltender Dauer sein, auf welche Schule man auch immer gegangen ist.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.08.2010

Tracklist

  1. The Offer Still Stands
  2. Unnerving Allure
  3. Timshel
  4. Norman
  5. Put Seven in Bold
  6. Withdrawn
  7. Traverse
  8. R.R.R.
  9. The Continuation of Livid
  10. Unravel

Besetzung

  • Bass

    Bryan Beller, Dan Nelson

  • Gesang

    Darran Charles

  • Gitarre

    Darran Charles

  • Keys

    Darran Charles, Steve Roberts

  • Schlagzeug

    Steve Roberts

Sonstiges

  • Label

    Just For Kicks

  • Spieldauer

    49:18

  • Erscheinungsdatum

    30.07.2010

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