Das also ist die Popmusik des 21. Jahrhunderts: eine Mischung aus TripHop, HipHop, Rap, Dub, Soul, Funk, 70s, 80s, Reggae, Weltmusik und diversen Electronica. "Gespielt" von einer Band, die eben das nicht wirklich ist, sondern das Kunstprodukt von Damon Albarn (BLUR) und dem Zeichner Jamie Hewlett: GORILLAZ. Und ich muss gestehen: ich brauche den Bandnamen nur lesen, dann hab ich "Clint Eastwood", den ersten großen Hit dieser Band vor dem geistigen Ohr. Und um es vorwegzunehmen: an diese Nummer kommt keiner der 16 Songs auf dem dritten Album "Plastic Beach" heran - trotz einer beeindruckenden Armada an namhaften Gastmusikern.
Lou Reed, Snoop Dogg, Mark E. Smith (THE FALL), De La Soul, Mos Def, Bobby Womack sowie Mick Jones und Paul Simonon, die das erste Mal seit ihrer Zeit bei THE CLASH wieder auf einem Album zu hören sind, waren an "Plastic Beach" beteiligt. Außerdem das National Orchestra Of Arabic Music sowie das Hypnotic Brass Ensemble. Auf die fikitive Geschichte hinter "Plastic Beach" gehe ich jetzt erstmal nicht weiter ein, das kann der interessierte Leser ja auf der interaktiven Homepage bei Bedarf nachholen. Nur soviel: das Album soll eine Allegorie der Menschheit darstellen: ein Bild, das sich aus Müll, Zerstörung, Konsumhaltung, Isolation und menschlichem Versagen zusammensetzt. Soweit zu den reinen Fakten, die allerdings eine falsche Erwartungshaltung provozieren könnten.
Denn was sich zunächst so negativ anhört, wird musikalisch deutlich freundlicher umgesetzt. "Plastic Beach" ist nicht wütend, nicht anklagend, nicht aufrüttelnd und nicht wirklich energisch, sondern entspannend, ungewöhnlich, manchmal seltsam und irgendwie sommerlich. Zu gefallen wissen vor allem die analogen Synthies, die für manch gelungenes Soundexperiment sorgen. "Plastic Beach" ist zwar Pop, aber nicht unbedingt Mainstream, die Songs weichen oft von den Standardstrukturen der Musik für die Massen ab, ohne aber sperrig zu wirken. So geht das markante "On Melancholy Hill" sofort ins Ohr, das soulige "Cloud Of Unknowing", die tanzbare Analogorgie "Glitter Freeze", das zunächst eher unauffällig startende und nach hinten raus wachsende "Empire Ants", die luftig-leichte Singleauskopplung "Stylo" und vor allem der getragene Höhepunkt "Rhinestone Eyes" sind weitere gute bis hervorragende Songs. Demgegenüber stehen aber auch belanglosere Nummern wie "Broken", "Some Kind Of Nature", das doofe "Sweepstakes" und vor allem das extrem nervige "Superfast Jellyfish".
FAZIT: Die GORILLAZ sind mit ihrem ungewöhnlichen Konzept auch 2010 noch relativ einzigartig. Über weite Strecken ist "Plastic Beach" dann auch ein nettes, interessantes Album, das auf Dauer aber nicht unbedingt fesselnd ist und ein, zwei richtige Knüller vermissen lässt. Aufgrund des wenig rockenden Charakters und der zahlreichen Einflüsse aus dem Bereich der Black Music trifft das Album vermutlich auch nur den Geschmack weniger Leser dieses Magazins und ist ein recht weiter Blick über den Tellerrand, der aber zumindest sehr, sehr gut gemacht ist.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.03.2010
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