Nach dem eher ungeliebten, weil ungewohnt sperrigen Vorgänger "Venus Doom" haben sich die finnischen Gothic Superstars HIM auf wieder auf ihre vermeintlichen Stärken besonnen. Im Vorfeld der Veröffentlichung des siebten Albums "Screamworks: Love In Theory And Practice" war nämlich zu vernehmen, dass man sich wieder mehr an einem Album wie "Razorblade Romance" orientieren würde und dass die Songs wieder eingängiger und mit mehr Hitcharakter daher kämen. In gewisser Weise stimmt das auch, nur ist der siebte Longplayer eher mit "Deep Shadows And Brilliant Highlights" zu vergleichen, dem Album also, mit welchen HIM für mich langsam aber sicher uninteressant wurden.
"Let's fall apart together now" schmachtet Ville Valo zu Beginn des Albums ins Mikrofon und schnell machen sich Sorgenfalten breit. Ganz schön kitschig, was da aus den Lautsprechern kommt. Und leider ändert sich an diesem ersten Eindruck zunächst nichts. Zwar ist "Screamworks: Love In Theory And Practice" ziemlich perfekt produziert und mit allerlei modernen Elektroniksounds und gleichzeitigen 80er-Spielereien ausgestattet, das Problem ist dabei allerdings der nahezu fröhliche Unterton, der sich durch die komplette erste Albumhälfte zieht. Die Düsternis, die damals das Debüt und zum großen Teil auch noch das zweite Album auszeichneten, ist nicht vorhanden, stattdessen gibt es samtigen, bittersüßen Herzschmerz, dem jegliche Verzweiflung abgeht. Man fühlt sich bei den ersten sieben Songs (inklusive der Single "Heartkiller") mehr an die finnischen Kollegen von THE RASMUS oder NEGATIVE erinnert, als an eigene Klassiker vom Schlage "Your Sweet Six Six Six" oder "Gone With the Sin". Harmlos, belanglos und mitunter ekelhaft rosenkitschig ("Scared To Death") hat man das Album eigentlich schon fast abgeschrieben.
Erstaunlicher- und unerwarteterweise ändert sich das Bild in der zweiten Albumhälfte dann doch noch. Das mit recht nett gemachten Keyboard-Sounds aufwartende "In The Arms Of Rain" gefällt grundsätzlich und die "Ode To Solitude" bietet dann endlich das, was mir an HIM gefällt. Düsterer Rock mit guter, sleaziger Gitarrenarbeit. Es geht doch. "Shatter Me With Hope" geht ebenso in Ordnung, "Like St. Valentine" ist gar das härteste Stück eines Albums, zu dem das Wort "hart" ansonsten so gar nicht passen mag. Beim Rausschmeißer "The Foreboding Sense Of Impending Happiness" wandelt man sogar gekonnt auf DEPECHE MODE-Pfaden.
Zuguterletzt noch ein Wort zum Gesang. Man ist es ja eigentlich gewohnt und erwartet es auch nicht anders, aber Ville schmachtet, kiekst, seufzt, japst und stöhnt, dass es einem als Mann schon fast peinlich ist. Hin und wieder bricht er aus seinem Gesäusel zwar aus und versucht sich als Rockröhre, so richtig überzeugend klingt das aber nicht - immerhin ist es aber eine Abwechslung.
FAZIT: Kitschig, romantisch, eingängig - HIMs siebtes Album ist leicht verdauliche Kost für all diejenigen, die bei den "Twilight"-Filmen dahinschmelzen und das sind ja nicht gerade wenige. Wer dagegen besonders auf die Frühwerke der Finnen abfährt, bekommt hier bestenfalls fünf, sechs gefällige Songs. Insgesamt fehlen aber auch die richtig packenden Ohrwurmmelodien, die selbst die seichten Songs der ersten Albumhälfte erträglicher machen würden. Licht und Schatten ausgewogen verteilt - da ist dann auch nur eine mittelmäßige Bewertung drin.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.02.2010
Migé Amour
Ville Valo
Linde
Emerson Burton
Gas Lipstick
Warner Bros. Records
47:09
12.02.2010