HEAVEN IN HER ARMS haben viel mit ENVY zu tun und sich vielleicht nach einem CONVERGE-Song benannt, weshalb ihr sperriger, noisiger Schachtelsound nicht von ungefähr kommen dürfte. Japan, Land des Dreschens, Land der untergehenden Sonne ...
"Normale" Gitarrenmusik scheinen Asiaten nicht machen zu wollen, denn wann immer einer von ihnen einstöpselt, kommt etwas Extremes dabei heraus: kaum erkennbare Songstrukturen, eine sich überschlagende Stimme sowie unterbutternde Abgrundstimmung sind die drei Merkmale von "Paraselene". Dem Album liegt ein Konzept zu Grunde, wie es scheint, und die dazu verfassten Texte wecken nicht zuletzt wegen der absonderlichen Songtitel starkes Interesse. Die Titel markieren jedoch weniger Stücke, als die CD Indizes zählt; Interludien wurden also dazwischengeschaltet, was die Zuordnung der Liednamen zu den eigentlichen Tracks erschwert. Jedenfalls gelangt man über anfänglich schwer zu ertragenden, zähflüssigen Sludge-Doom mit abartigen Stimmäußerungen zum Zentrum des Orkans, in welchem längere Passagen von einer gesampelten Funkstimme begleitet werden. Die musikalische wie der Atmosphäre anhängende Lichtlosigkeit erzeugt bei entsprechender Gemütslage wirkliche Beklemmung, zumal die Worte japanische sind, wie auch weite Teile des Booklets der Scheibe in der Muttersprache der Combo verfasst wurden. Man muss eine weite Durststrecke zurücklegen, um dieser Hörerfahrung Herr zu werden und die eigenen Gefühle in einigermaßen gediegene Bahnen zu lenken, die einem Hören im herkömmlichen Sinne gerecht werden. Allein mit Nebenbeikonsum wird man HEAVEN IN HER ARMS nicht beikommen. Schafft man die bewusste Auseinandersetzung jedoch, stellt eine verhältnismäßige Spannungsauflösung die Belohnung dar, erstmals auffällig in der Schönheit des Gitarrenspiels, die sich in den weitgehend instrumental gehaltenen Passsagen des zweiten und abschließenden Plattendrittels offenbart. Immer deutlicher zeichnet "Paraselene" eine wunderbare Tragik aus, die Schreie muten weniger misstönend als befreiend, konstruktiv anklagend an, was gut zu den kathartischen Harmonien (eigentümliche Beschreibung für eben solche Musik) passt. Der ohne Stimme auskommende Abschluss fügt Streicherklänge aus der Heimat der Musiker hinzu, die irgendwann wie ein Fiepen klingen, also die vorübergehende Stasis des Sounds von HEAVEN IN HER ARMS deutlich machen, genauso wie ihre die Scheibe abklingen lassenden Melodien für ein hoffentlich gefundene Lösung stehen.
Wie gesagt: man muss sich auf "Paraselene" einlassen; dann trägt man keinen Schaden davon und tritt regelrecht geläutert aus der Erfahrung hinaus, so man privat unter nicht gelösten Problemen leidet oder gelitten hat. Musik kann also Lebenshilfe sein? Etwas vermessen, diese Mutmaßung oder Forderung, Menschen wie HEAVEN IN HER ARMS seien dazu in der Lage. Sicher ist aber ohne Zweifel, dass ihre Musik einen willkommenen Unterschied zur überwältigenden Bedeutungslosigkeit einer sich nur als krass gebärdenden Szene liefert. Hier wird wahrlich nicht posiert, sondern Tacheles mit Kunst verwoben und letztlich auch angesprochen. Schön, dass eine Platte abseits konventioneller Bewertungsschemata als richtig aufregend empfohlen werden kann!
FAZIT: HEAVEN IN HER ARMS sind etwas für geduldige Menschen, die Grenzerfahrungen machen oder mit sich selbst auf unangenehme Weise konfrontiert werden möchten, um daraus zu lernen. Wenn man die Namen der oben erwähnten Gruppen zum Vergleich heranzieht, geht dies in Ordnung, greift aber dennoch zu kurz und sollte nur als grober Kompass verstanden werden.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.12.2010
Kentaro
Kent
Kent, Katsuta, Katayu
Rocky
Denovali / Cargo
54:39
17.12.2010