Natürlich setzen HELLOWEEN nicht da an, wo sie mit ihrem Geburtstagsalbum aufgehört haben. "7 Sinners" ist aber in musikalischer Hinsicht mit Bezug auf den Titel auch keine Kreuzung von "Keeper" und "Chameleon" geworden. Heißt die nächste Platte dann "When the Keys?" - Unsinn ...
Die Institution kommt mit dem Opener ungewohnt behäbig aus dem Quark. Das Riffing ist nicht erst seit "The Dark Ride" so harsch und wurde einer rigorosen Modernisierung unterzogen, wo früher vor allem Speed, Speed, Speed sowie liebevolle Twin-Leads herrschten. Derer gibt es gleichwohl immer noch, doch HELLOWEEN verlassen sich ebenso häufig auf Keyboard-Zierrat, beispielsweise im ansonsten ordentlich thrashenden "Are You Metal" oder während "My Sacrifice". Die Genrehölle ist nicht ungehört an der Combo vorübergezogen, was sich in schwarzmetallischem Schraddeln ausdrückt und wohl an der teilweisen Verjüngung ihres Kaders liegt. Den "Perfect Gentleman"-Nachfolger "Who Is Mr. Madman?" gestaltete man ebenfalls unerhört kraftmeierisch. Dass die Lyrics bei dieser Band einen höheren Stellenwert einnehmen als bei anderen des Genres und sich zudem trotz vordergründiger Klischeehaftigkeit häufig ganz andere Absichten an den Tag legen, ist man gerade von Michael Weikath gewohnt, und dahingehend lassen HELLOWEEN sich auch 2010 nicht lumpen. Neuerungen wie das (echte?) Geflöte im Anschlusstrack zum "Madman" sind da eher Makulatur, denn mit Festigung des aktuellen Lineups hat sich bei der Gruppe wenig geändert, was man natürlich als durchaus positiv betrachten kann; falls man jedoch "Pink Bubbles" und "Better Than Raw" mitsamt dem Debüt als Muss-Alben von HELLOWEEN betrachtet wie der Autor (ja. lacht ihr nur ...), stellt sich beim Genuss von "7 Sinners" wie bereits während des Hörens vorheriger Veröffentlichungen eine gewisse Abmivalenz ein. Dazu passt aktuell der hintere Mittelteil dieser Scheibe, welcher recht traditionell im Sinne der Deris-Frühphase belassen wurde.
"The Smile Of The Sun" (halbballadesk-moderner Hochglanz-"Gothic"), "You Stupid Mankind" sowie "If A Mountain Could Talk" (Mitsinghits der unspekatkulären Sorte) erfüllen demzufolge Standards, statt neue zu setzen. Das schaffen andere Alteingesessene zwar nicht immer und ist somit mehr, als man erwarten kann, doch gereicht es nicht zum Versprühen von Langzeit-Duftmarken. Davon abgesehen wird man auf "7 Sinners" zeitgemäßen (immer wieder diese Stakkatoriffs ...) Metal hören, der vor dem Hintergrund der Gruppe keine Schande darstellt, aber eben auch keinen neuen Klassiker ausmacht.
FAZIT: Statt Traditionen zu verwalten zocken HELLOWEEN nach wie vor mit Facelifting in ihrem spätestens seit den Neunzigern gefestigten Stil, in welchem es bereits viel bessere ("The Time Of The Oath"), aber auch schlechtere Scheiben von ihnen aufs Ohr gab. "7 Sinners" ist definitiv der bisherige Höhepunkt der momentanen Besetzungen, rangiert im diskographischen Kontext jedoch nur im oberen Mittelfeld.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.10.2010
Markus Grosskopf
Andi Deris
Sascha Gerstner, Michael Weikath
Dani Löble
Sony Music
60:48
29.10.2010