Werner Nadolny ist mal eben quasi die ganze JANE-Besetzung verlustig gegangen, doch statt den Kopf in den Sand zu stecken, komponierte er gleich zwei Studioalben. Harrt man deren Veröffentlichung, so sorgt diese DVD für ein wenig Kurzweil, bis es dazu kommt. Dabei wärmt man Krautgerichte doch eigentlich lieber nicht auf ...
Trotzdem hat es seinen Reiz, sich der aktuellen Qualitäten der Rundumerneuerten anzunehmen. JANES Hamburger Auftritt, den man dieses Jahr für die Nachwelt festgehalten hat, lebt natürlich vom Aushängeschild der Gruppe, an welchem sich die Fanbasis orientieren kann. Andererseits befremdet die Institution selbst nach dem Facelifting nicht mit Umarrangiertem oder anders interpretierten Klassikern (Ausnahme: das textlich modifizierte "So So Long" im Bonusteil). Die Greenhorns im Lineup, gleichwohl keine musikalischen Novizen (Ilg etwa verdingte sich zuvor bei einer HEEP-Coverband), halten sich an die bekannten Vorgaben. Vorhersehbar klingen JANE wiederum auch nicht, was die Verzahnung von "Air" mit dem dem Showopener "All My Friends" (geriet schon auf "Jane - Live" zum Wahnsinnseinstieg) unterstreicht.
"Borrowed Time" schaut voraus auf die anstehende Veröffentlichung neuen Materials, wogegen der Elementesong vom ebenso titulierten Album oder die erste Brain-Single "Daytime" aus den Seventies die Klassiker-Riege abdecken. URIAH HEEPs "Circle of Hands" ist angesichts des Status von JANE eine völlig unnötige Wahl, da man sich so den Anschein dessen gibt, was man bei allem frischen Blut in der Band nicht sein möchte: ein Altenstift oder Nachlassverwalter. JANE gehörten doch seit jeher zu den ernsthafteren und beflisseneren Musikern unter Deutschlands einstigen Kommunenrockern - gerade, wenn man die bewusste Anarchie etwa bei AMON DÜÜL (II) zum Vergleich heranzieht oder andererseits KRAAN, die ihren Sound nicht zuletzt ob Helmut Hattlers Bassplektrum am Puls der Zeit immer wieder glaubhaft modernisiert haben. Die samtente Viper Jutta Weinhold bestreitet "Hangman" gemeinsam mit Ilg und ist zudem sattsam im Bonusteil der DVD vertreten. Wer Weinhold nur aus dem metallischen Kontext kennt, den mag ihre Kollaboration mit den progressiven Rockmusikern befremden. Sie ist jedoch insofern schlussrichtig, als dass die Dame das Vorprogramm von JANE bestritten hat sowie an Nadolnys Ehrerbietung für den verstorbenen Peter Panka beteiligt war; dies aber nur am Rande.
Auch interessierte Neuentdecker - Altfans sowieso - greifen in jedem Fall zur Doppel-DVD-Version, die uns nicht vorliegt; darauf ist dieses Konzert in voller Länge enthalten, wobei gesagt werden sollte, dass selbst die abgespeckte Version relativ erhaben ist (siehe Spielzeit) und nicht brüchig wirkt. "Jane - Live" sollte Unbedarften ebenfalls zur Pflicht auferlegt werden: ein Referenz-Konzertalbum. JANE gehören letztlich für den offenen Menschen ohnehin zur deutschen Nachkriegskultur wie zuvor die Trümmerfrauen und später (leider) TOKIO HOTEL ... auch das wieder nur am Rande.
FAZIT: JANEs aktuelle DVD stellt eine Standortbestimmung für die erneuerte Gruppe dar und zeigt mit einer Mischung aus altem und verhalten neuem Liedgut, dass mit den Ikonen weiterhin zu rechnen ist. Wie gesagt: Nichtkenner lassen sich von den Referenzalben der frühen Siebziger in die Materie einführen; Erfahrene dürfen "Live in Concert 2010" bedenkenlos verhaften.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.12.2010
Rolf Vatteroth
Torsten Ilg
Dete Klamann
Dr. Bogarth, Werner NadolnyW
Sven Petersen
Werner Nadolny (sax)
H'Art / SAOL
ca. 158:00
12.11.2010