Diese Band tourt mit den großartigen Propagandhi? - Okay, KAFKAS mögen eine fast 20-jährige Historie auf dem Rücken haben, wirken aber auf den neu mit ihnen konfrontierten Hörer wie ein aus dem Ei gepellter Vertreter des zeitgenössischen Musikfernsehen-Punks, was sich durch die MTV-Prominenz der Gruppe zu bestätigen scheint. Ihr glatter Sound liegt in einiger Nähe zu Stuß wie Revolverheld oder der x-ten neuen Welle an Radiobands, deren Namen man nicht zu nennen braucht: kennt jeder ... schielt man nach Amerika fällt einem Wehleidiges wie die Weakerthans oder Hot Water Music ein. Nun ja ...
Emo und Pop sind der Gruppe definitiv ein Begriff ... Entweder hat der Verfasser etwas verpasst oder Sampler wie "Schlachtrufe BRD" sind nicht mehr, was sie waren, wenn sie solchen Kram zur Schau stellen - aber es ist nicht fair, diese Kritik auf nicht erfüllten Erwartungen aufzubauen. “Klatscht in die Hände” winkt mit dem Zaunpfahl auf die Tanzfläche. Elektro ... dürfen die das, zumal mit Videobegleitung? Ungeachtet dessen hört man beim Text gleich genauer hin und wird enttäuscht: Kreuzbrav nennt man das wohl, und da wir uns hier nicht in den Szenemedien der Sicherheitsnadelträger befinden, schlachten wir auch keine heilige Kuh, wenn wir sagen, sie seien auf strunzdoofe Weise unpolitisch, weil sie sich mit Alltäglichkeiten befassen.
Anderswo liest man nur zwischen den Zeilen, dass die vermeintlichen Rebellen sich selbst die Zähne gezogen haben, hier sei es offen ausgesprochen: "Paula" ist keinen Deut besser, intelligenter oder mit längerer Halbwertszeit gesegnet als Silbermond und Konsorten. Wachsen die Hörer erst einmal aus einem gewissen Alter heraus, haben sie Texte über Tätowierungen und Herzschmerz schnell über. Das musikalische Gewand dazu kann man ohne Szeneauge als geschmackvoll indie-poppig bezeichnen, aber für die einstige Zielgruppe müsste das hier einem Springerstiefel im Gesicht gleichkommen ... Nein, die Musikalität und Leidenschaft der Beatsteaks (okay, Vergleich hinkt) oder der Zynismus von Muff Potter (trifft es eher) geht der Gruppe ab - von der Tiefe But Alives ebenfalls ganz zu schweigen. Dass man "Hasste mal 'ne Mark" heuer als überholt ansieht, heißt im Umkehrschluss nicht, dass man sich stromlinienförmig verbiegen muss.
FAZIT: KAFKAS machen Indiepoppunk für die Massen - egal, was früher einmal war, und das durchweg professionell mit elektronischer Note und massentauglichen Lyrics. Was deutschsprachige Rockmusik mit revolutionären (klingt dieses Wort heuer nicht selbst wie ein Klischee? - aber einerlei ...) Wurzeln betrifft, sind Kafkas bestenfalls dritte Wahl. Die echten Dritte Wahl beispielsweise gehören da schon eher an die Front ... aber die wollen und brauchen Emmteewiewa nicht.
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.03.2010
Markus Gaby Kafka
Broken Silence / Domcore
38:43
16.04.2010