Zurück

Reviews

Kaipa: In the Wake of Evolution

Stil: Retro Progressive Folk-Rock

Cover: Kaipa: In the Wake of Evolution

Im Progressive Rock dieser Tage scheint computergeneriertes, blaustichiges Artwork mit Wassermotiv ziemlich angesagt zu sein. Was LEAP DAY und ADVENTURE recht war, ist KAIPA nur billig. Wehe, es ruft jemand „Avatar“. Immerhin braucht man keine 3D-Brille, und irgendwie liegt die Wasserthematik (zwei weißgekleidete Mädchen stehen vor einer Art Jungbrunnen mit Dschungelblick) im Zusammenhang mit erwachender Evolution ja nicht ganz fern.
Gekonnte Covergestaltung war aber noch nie ein Markenzeichen KAIPAs; früher war man etwas unangepasster und präsentierte Motive, die ins Grünliche tendierten. Was aber weniger Naturverbundenheit ausstrahlte, sondern mehr nach computergeneriertem Vorspann eines mäßigen Videospiels aussah.

Aber wir sind hier nicht in einem Grundkurs für kreatives Arbeiten mit Photoshop und ähnlichen Programmen. Doch verweist die Covergrafik bereits auf den zweischneidigen Charakter der Musik KKAIPAs. Da haben wir den naturverbundenen Folkmusiker Hans Lundin, der gerne nach abstrakteren Klängen schielt, die einem eher technokratischen Verständnis entspringen. Wie die Covergrafik sind die Musikvorlieben nicht allzu aktuell; vorzugsweise wird bewährtes auf den neuesten Stand gebracht.

Roine Stolt ist seit dem 2007er Album „The Angling Feeling“ nicht mehr dabei, und das scheint Lundin beflügelt zu haben. Weg von den komplexen Strukturen, die auch FLOWER KINGS-Alben zu mitunter schwerverdaulichen Vorzeigeprojekten in handwerklichem Geschick machen. Lieber den alten Folkie raus geholt, der knietief im progressiven Rock der 70er seine heiß geliebten Kreise zieht. Recht nahe an YES, ohne deren esoterisches Bombasterium satzgenau nachbilden zu wollen. Kam „This Angling Feeling“ schon als recht entspannte Übung in Prog-Folk daher, haben Lundin und seine Mitstreiter diese Melange auf dem aktuellen Longplayer perfektioniert.

Während der Titeltrack und Opener ein bisschen braucht, um sich zu entfalten, „In The Heart Of Her Own Magic Field“ ein wenig zu dicht an YES klebt, wächst der fast achtzehnminütige Longtrack „Electric Power Notes“ zu einem der überzeugenderen Vertreter seiner Zunft heran. RITUALs Patrik Lundström ist als Sänger eine Bank, ebenso die exzellente Aleena Gibson. Beide verbinden die folkigen Teile mit den ausladenden progressiven Parts auf’s Feinste. And so does the rest of the record. Neben den mal voluminösen, mal dezenten Keyboards werden Flöte und Violine eingebunden, als gehörten sie zum Haus- und Hofstand.

KAIPA werden vermutlich nie mehr so originär sein, wie zu ihren Anfangstagen; als Roine noch (fast) ein Teenager war. Zum Rerun hat sich ein künstlicher Schleier über’s Musizieren gelegt, der sich nie ganz hebt. Aber wenn das als evolutionärer Zuwachs akzeptiert wird, sind KAIPA auf ihrem kleinen musikalischen Feld die Chefs hinterm Pflug.

FAZIT: Wir haben die Geschichte des Progressiven Rocks die letzten vier Jahrzehnte verfolgt, schätzen Folk, wissen auch mit Edvard Grieg, Jean Sibelius und Carl August Nielsen was anzufangen? Wenn nicht, reicht auch das Gefallen an einer langen Fahrt durch schwedische Wälder und kleine Siedlungen. Denn dann ist „In the Wake of Evolution” ein idealer Weggefährte für den Road-Trip.
Nicht neu, nicht sensationell anders; aber mit Gespür, nostalgischem Herzblut und ein wenig jetzt-erst-recht-Mentalität hörenswert umgesetzt.
Am Design darf noch gefeilt werden...

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.03.2010

Tracklist

  1. In The Wake Of Evolution
  2. In The Heart Of Her Own Magic Field
  3. Electric Power Water Notes
  4. Folkia´s First Decision
  5. The Words Are Like Leaves
  6. Arcs Of Sound
  7. Smoke From A Secret Source
  8. The Seven Oceans Of Our Mind

Besetzung

  • Bass

    Jonas Reingold

  • Gesang

    Patrik Lundström, Aleena Gibson, Hans Lundin

  • Gitarre

    Per Nilsson

  • Keys

    Hans Lundin

  • Schlagzeug

    Morgan Ågren

  • Sonstiges

    Fredrik Lindqvist (Recorders), Elin Rubinsztein (Violin)

Sonstiges

  • Label

    InsideOut

  • Spieldauer

    70:03

  • Erscheinungsdatum

    12.03.2010

© Musikreviews.de