Was die „In The Fishtank“-Serie seit Jahren praktiziert, nicht immer erfolgreich, aber jederzeit mutig, bewerkstelligen jetzt auch Roine Stolt und Jonas Reingold. Ein Split-Album - nicht ganz so couragiert, liegen die AGENTS OF MERCY und KARMAKANIC musikalisch dichter beieinander als bspw. MOTORPSYCHO und die JAGA JAZZIST HORNS. Auch nicht ganz konsequent, denn es wird nicht wild durcheinander gespielt, geschweige denn werden neue Stücke und Strukturen auf der Bühne ausprobiert; stattdessen gehören die ersten 25 Minuten den AGENTS OF MERCY, anschließend sind KARMAKANIC dran.
Besetzungsmäßig arbeiten beide Bands zusammen, Überschneidungen gab es bereits vorher im Studio, auch ohne das „The Power Of Two“-Emblem. Zuerst darf Nad Sylvan ans Mikrophon, danach übernimmt Göran Edman, bevor er Sylvan für „Afterglow“ noch einmal abschließend die Bühne überlässt. Das ausgewählte GENESIS-Stück sagt viel über die musikalische Ausrichtung aus. Vor allem die Musik der AGENTS OF MERCY könnte glatt aus den sanfteren Songs von GENESIS „Wind and Wuthering“ zusammen gebastelt sein; Sylvan klingt eh wie einer der möglichen Vorsänger um die Nachfolge Peter Gabriels, ergattert aber nur den Platz in einer ordentlichen Coverband.
So geht die erste halbe Stunde gefällig und bedächtig vorüber, ist von einer wohltuenden Harmlosigkeit, die zum Glück nie ins ganz Seichte abrutscht. Roine Stolt hält sich an der Gitarre zurück und überlässt den Keyboards die Hauptarbeit. Das wird sich bei KARMAKANICs Auftritt nicht ändern, ganz im Gegenteil. Für Avantgardisten und Fans druckvollen Rocks ist dieser Einstieg Beelzebub im Sandmännchenkostüm.
Wer jetzt denkt, dass KARMAKANIC – die ja im Studio und auch Live durchaus Gas geben können – das Pedal durchtreten, der irrt. Die Stimmung bleibt gelassen-romantisch. Doch besinnen sich die Musiker um Jonas Reingold darauf, dass Skandinavien musisch nicht gar so limitiert ist: fortan bezieht Jazz seine Behausung in den gruppeneigenen Stücken. Natürlich nicht der wilde ausufernde Freestyle-Jazz, der Grenzen niederreißen möchte, sondern der gediegene, swingende, der sich Mitte der Siebziger des vergangenen Jahrhunderts mit dem Rock verband und so seine Spuren in der Musikgeschichte hinterließ. Die knapp fünfzehn Minuten von „Where Earth Meets The Sky“ zeigen, dass dies auch heute noch tadellos funktioniert und gefällt. Gelegentlich jedenfalls.
Nicht ganz so dolle ist Lalle Larssons Alleingang „Lalles Solo“, der so daherkommt wie diese Stücke gerne daherkommen: erst vom klassischen Klavier geprägt, dann fiepend, flirrend, aber nur ungenügend darüber hinwegtäuschend, dass die Substanz gegen Null tendiert. Klingt halt. Irgendwie. Aber es gibt ja noch „Eternally“ (das sich ein bisschen nach „My Way“, durch den retroprogressiven Wolf gedreht, anhört) und „Afterglow“.
Wobei man für’s finale Nachglühen schon einiges an Humor braucht. Aber den haben wir ja.
FAZIT: Nick D'Virgillio brauchte angeblich nur sechs Stunden, um sich das Konzertmaterial anzueignen. Respektable Leistung. Dafür darf er während „Do You Tango?“ auch ein bisschen alleine trommeln.
The Germans would call it „Gemütlichkeit“. Mag sein. Aber ist das so verkehrt? Es gibt diese Momente, in denen man sich zurücklehnen möchte, einen Tee oder einen feinen kleinen Whisky trinken, oder eine gepflegte Meerschaumpfeife rauchen. Dazu ein wenig Musik? Warum nicht das Gemeinschaftswerk der AGENTS OF MERCY und KARMAKANICs zu Gemüte führen? Regt nicht auf, unterfordert nicht, ist stimmungsvoll, auf freundliche Art altbacken und nur selten (quietschende Keyboards) nervig. Zwar mit einem Bein im ambitionierten Kitsch, aber trotzdem eine altersmilde, erträgliche Leichtigkeit des Seins versprühend. Fein gemacht.
Wo kriege ich bloß eine Meerschaumpfeife her?
Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.03.2010
Jonas Reingold
Nad Sylvan (1-3, 8), Göran Edman (4-7), Jonas Reingold (bv), Roine Stolt (bv)
Roine Stolt
Lalle Larsson, Nad Sylvan, Roine Stolt
Nick D'Virgillio
Reingold Records/Just For Kicks
70:41
26.02.2010