Pompös startet "Distorted Memories" mit Kurzintro, bloß um dem Hörer zu Beginn des zweiten Tracks nicht nur mit Hinblick auf das bekannte "Ätsch!"-Jingle eine lange Nase zu drehen. Was Einzelkämpfer Eric de Beer hier zu stemmen versucht, hält sich nicht allein dadurch in konzeptionellen Höhen, dass er das Eingangs- auch als Ausgangsmotiv benutzt. LIFELINE PROJECT machen die Hand voll, was die Anzahl der Alben betrifft; trotzdem fischt der Protagonist eher im Trüben.
Der Quasi-Opener besticht durch E-Geige und durchgehende Motivik, was sich im Folgenden relativiert. Immer noch fintenreich, indes eher traditionell neoproggig geriert sich die zu lange "Life Line Suite 2010", an deren Ende eine schnöde Fingerübung aus dem Gitarrengrundkurs die Synthie-Dominanz brechen will. Bis hierher verbleibt die Musik rein instrumental, ehe Maruschka Kartosonto in bester (wenn man's mag) Seichtprog-Manier der britischen beziehungsweise amerikanischen Art (wie etwa die Gutmenschen SOLSTICE) losträllert. Die Flöte gibt der Chose den vorhersehbar folkigen Anstrich, gleichwohl wie üblich bereinigt von jeglichem Naturgefühl ob der knätschigen Keyboards. Das ist programmatischer Prog im Sinne des Stils, nicht der Attitüde. "Caelum Aurum" erfreut wieder etwas mehr, da Erik de Beer sich hier nicht allein auf Schönklang versteht. Als wolle er diesen Eindruck widerlegen, schickt er ein plänkelndes Zwischenspiel hinterher, dem der Piano-Leichtfüßer "Reaper Of The Keys" folgt - möchte hier jemand ironisch auf seinen hartmetallischen Hintergrund Bezug nehmen? Wie dem auch sei, überzeugen hier die abwechslungsreichen Arrangements sowie der Stepptanz auf der Soundbank des Synthesizers.
Der Komponist tut gut daran, mit einem neuerlichen Gesangstrack anzuschließen, denn seine stimmlosen Offerten besitzen nicht durchgehend die Art von Ideen, welche für anhaltende Spannung sorgen. Dass auch die eher konventionellen Lieder nicht eben zu Euphoriestürmen hinreißen, zieht "Distorted Memories" ins Mittelmaß, zumal de Beer nicht sein erstes Album im Alleingang stemmt; von Greenhorn kann also eigentlich keine Rede sein, doch viele der wie Füllsel klingenden Preziosen - zumeist von kurzer Spieldauer und dennoch nicht kurzweilig - muten danach an. Quantitativ bildet der reguläre Abschluss vor barockem Bonusoutro eine Ausnahme, qualitativ indes nicht, sodass der letzte Eindruck das Album treffend zusammenfasst: Dem LIFELINE PROJECT ist, wohl auch, weil sich der Macher das Zepter nicht hier und dort abnehmen ließ, gefällige Neuprog-Standardkost weitgehend gesangsfreier Natur gelungen.
FAZIT: "Distorted Memories" weckt zu Beginn große Hoffnungen auf gewitzten Prog, welche mit jedem weiteren Sanftprogger widerlegt werden. Da war mehr zu erwarten als selbstverliebtes Geplänkel, denn daraus besteht die Scheibe weitgehend.
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.11.2010
Erik de Beer, Iris Sagan
Maruschka Kartosonto, Jody van der Gijze
Erik de Beer, Jody van der Gijze, Jason Eekhout
Erik de Beer
Ludo de Murlanos
Eigenvertrieb / Just For Kicks
65:01
05.11.2010