„Der Tag an dem der Tod starb“ – angesichts dieses Titels kommen erst einmal Befürchtungen auf, dass Stefan Weidner gemeinsam mit Wigald Boning und Olli Dittrich eine deutsche Motörhead-Coverscheibe aufgenommen hätte. Ein Blick auf die Rückseite zeigt: Das ist zum Glück nicht der Fall.
[N]Ticket, das sind fünf Burschen aus dem rheinland-pfälzischen Neuwied, die seit 2006 geneinsam musizieren. Nach einer selbst produzierten Scheibe vor zwei Jahren schmeißen sich die christlich beeinflussten Rocker nun mit „Der Tag an dem der Tod starb“ ins Haifischbecken Musikindustrie.
Geboten wird eine gute halbe Stunde lang größtenteils angenehm klingender Alternative Rock, der ganz grob in der Schnittmenge zwischen Grunge, Silbermond, Die Ärzte, den Schweißern und Rage Against The Machine anzusiedeln ist.
Erfreulicherweise klingt hier nichts nach Schülerband, die Produktion ist ausgewogen und professionell, ohne dabei mit der heutzutage so typischen Sterilität zu nerven. Handgemacht bleibt handgemacht – und [N]Ticket beherrschen ihr Handwerk. Manchmal nachdenklich, manchmal anklagend, manchmal einschmeichelnd, manchmal wütend – hier wird eine beeindruckende emotionale Bandbreite geboten, die oft (allerdings nicht immer) ins Schwarze trifft. Die manchmal locker-flockigen Punkeinflüsse bringen eine unbeschwerte Frische in die Songs, was beispielsweise „Die Zeit“ zu einem Höhepunkt der Scheibe macht.
Mit „Lass mich nicht im Stich“ hat das Quintett sogar einen echten Hit am Start. Wenn Sänger Rudi Buller im melancholischen Refrain „Was ist mit meinem Ziel, wo ist das große Glück, Warte auf den Zug auf einem stillgelegten Gleis“ singt, ist das nichts anderes als Balsam für die Ohren. Toll!
Leider halten nicht alle Songs dieses hohe Niveau – das ist angesichts einer jungen Band allerdings kein Beinbruch. Gerade im textlichen Bereich sind noch ein paar holprige Stellen vorhanden, die man aber im Laufe der weiteren Karriere sicherlich noch glattschleifen wird. Ein „Ode an den Mosh“ beispielsweise ist der eher missglückte Versuch, einen Partysong zu schreiben – was sowohl die Lyrics als auch das Musikalische betrifft. Wer nämlich angesichts des Titels auf eine naheliegende Huldigung der Moshgötter Anthrax hofft, wird sich angesichts des stumpfen RATM-Riffings mit Grausen abwenden.
Glücklicherweise hält sich der Bekehrerfaktor der Band in absolut überschaubaren Grenzen. Zwar blitzen immer wieder die christlichen Wurzeln der Band auf – was in keinster Weise zu kritisieren ist! – doch außer im Titeltrack und „Wenn du meinst!“ bleibt das alles dezent im Hintergrund.
FAZIT: Man staunt: über die Unbeschwertheit trotz der weitgehend nachdenklichen Texte. Über die handwerklichen Fähigkeiten. Über die stilistische Vielfalt. „Der Tag an dem der Tod starb“ ist ein solides Fundament für die Zukunft. Der Pfusch am Bau hält sich erfreulicherweise in Grenzen, doch auf den kommenden Scheiben darf man gerne noch ein wenig mehr den hübschen Pinsel statt der groben Quaste in die Hand nehmen. Dennoch: Sehr erfreulich!
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.11.2010
Rainer Bergen
Rudi Buller
Johannes Novak, Jörg Sparwasser
Stephan Sawadsky
Ruuf Records
32:44
26.11.2010