Hört es sich blöd an, wenn ich schreibe: „Der Münsteraner Fünfer hat sich etabliert?“
Vielleicht, aber es ist so. NEAERA, deren Namen mich immer wahnsinnig macht, sind so etwas wie eine feste Institution im deutschen Death Metal geworden. Diesen Status untermauern sie mit Album Nummer Fünf in nur sechs Jahren Bandexistenz, das auf den Namen „Forging The Eclipse“ getauft wurde.
Aber NEAERA sind nicht nur fleißig, sondern variieren ihren Sound auch mit jedem Output zumindest geringfügig. War „Armentarium“ noch sehr BOLT THROWER inspiriert, folgte mit letztjährigem „Omnicide – Creation Unleashed“ eine Zuwendung zu AT THE GATES um im aktuellen Werk in etwas modernerem Death und einer Prise Black Metal zu münden. Das alles ist freilich nicht gänzlich neu, aber einfach sehr gut gemacht und gefällt mir persönlich besser als die immer wieder als Vergleich zitierten HEAVEN SHALL BURN.
Nach kurzem Intro geht es mit „Heavens Descent“ gleich in die Vollen, wobei hier der BOLT THROWER-Einfluss noch am Stärksten in Erscheinung tritt. Sänger Benjamin „Cinderella“ Hilleke ist eine feste Bank und wechselt wie auch im weiteren Verlauf häufig zwischen tiefen Growls und hohem Kreischgesang, der häufiger mal an Tompa Lindberg erinnert und der definitiv zu den Highlights des Albums gehört. Überhaupt schafft es das Quintett, ein ausgewogenes Maß zwischen Brutalität und Melodie zu finden, entweder knallen die Gitarrenriffs schnell und aggressiv oder grooven im Midtempo, in dem sich dann gerne auch mal mehrstimmige Gitarren duellieren. Auf Breakdowns, Stakkato-Dauerbeschuss und andere Metal-Death-Was-Weiß-Ich-Core-Ingredienzen verzichten NEAERA nahezu komplett, sind sie mittlerweile doch komplett im Death Metal angekommen.
Der weise Ausspruch „Man muß etwas zu sagen haben, wenn man reden will.“ wird ja Goethe zugeschrieben, NEAREA haben glücklicherweise etwas zu sagen und gehen beispielsweise in „Arise Black Vengeance“ durchaus kritisch mit der aktuellen Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko ins Gericht oder thematisieren in „Heavens Descent“ die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Soviel (politisches) Bewußtsein würde ich mir im Metal-Sektor häufiger wünschen und dieses macht mir die Band noch sympathischer als sie sowieso schon ist.
FAZIT: NEAREA erfinden weder sich noch Death Metal neu, ballern sich aber auf hohen Energie-Niveau und mit reichlich Abwechslung durch 12 Tracks ohne zerfahren oder künstlich zu wirken. Vielleicht fehlen hier echte eingängige Hits, wie die großen Vorbilder sie gleich reihenweise aus dem Hut gezaubert haben, „Forging The Eclipse“ ist aber dennoch ein überdurchschnittliches Album einer sehr sympathischen Band.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.10.2010
Benjamin Donath
Benjamin „Cinderella“ Hilleke
Stefan Keller, Tobias Buck
Sebastian Heldt
Metal Blade Records
40:04
22.10.2010