Es gibt Musik, die ist so anders und befremdlich, so "geht gar nicht", dass sie schon wieder gut ist. In diese Kategorie fällt das Ensemble OBERER TOTPUNKT, das mit seinem dritten Album "Stiller Zoo" eine Platte veröffentlicht, die heftig polarisiert.
Denn die Kombination aus düsterer, rhythmischer und EBM-lastiger Elektronik, weiblichem Sprechgesang und einem Kastratenchor ist in der Tat extrem gewöhnungsbedürftig und erinnert an eine Mischung aus DAS ICH, GOETHES ERBEN und - unpassenderweise - KNORKATOR. An die Berliner Comedytruppe allerdings nur, weil der erwähnte Chor sich ziemlich genau so anhört, wie der Gesang in ihrer Gruftie-Verarsche "Weg nach unten". Die Referenz an die anderen beiden Bands ergibt sich eher aus der Atmosphäre, die OBERER TOTPUNKT verbreiten. Die Frontfrau Bettina Bormann wirkt nicht nur optisch wegen der strengen Frisur und der Hornbrille wie eine Lehrerin (oder auch wie eine sehr dominante Lady...), auch ihre tiefe Alt-Stimme, mit der sie die bemerkenswerten Texte intoniert, passt zum Gesamteindruck.
In den Texten werden Geschichten wie die von Vlăd III. Draculea oder dem Sultan Aladin, eine makabre Version der Vogelhochzeit und andere dunkle und böse Märchen erzählt, die oft aber auch einen sehr konkreten Bezug der Gegenwart haben. Natürlich ist die Art und Weise, wie diese Texte vorgetragen werden, sehr gewöhnungsbedürftig, letztendlich ist es aber auch angenehm stimmungsvoll. Die Chöre mit den hohen Männerstimmen tauchen immer wieder auf und lassen den Hörer bei den ersten Malen noch zusammenzucken, letztendlich sind sie aber ein interessanter Kontrast. Dass ausgerechnet eine Coverversion ("Paul ist tot" von FEHLFARBEN) der beste Track des Albums ist, spricht nicht unbedingt für die Band, aber auch Stücke wie "Zorn des Drachen", "Gevatter Tod" und "Nervenfieber" wissen zu gefallen, zumindest dann, wenn man die Musik nicht von vorne herein unhörbar findet. Lediglich "Gefangen im Vergangenen" ist dann doch zuviel des Guten und nervt schnell.
FAZIT: OBERER TOTPUNKT machen seltsame Musik, die mit leicht übersteigertem Avantgardismus und plakativer Theatralik zunächst Entsetzen hervorruft, an die man sich aber gewöhnen kann. Dann ist auch ein Album wie "Stiller Zoo" zumindest interessant.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.06.2010
Bettina Bormann
Michael Krüger
Michael Krüger
David Nesselhauf (Kontrabass)
Danse Macabre
46:25
21.05.2010