Neben seiner Beteiligung an der (unerwartet gut verlaufenden) Wiederbelebung von ACCEPT hat der gestandene Teutonen-Metal-Recke Herman Frank noch die Zeit gefunden, eine neue Band an den Start zu bringen. Zur Seite stehen ihm dabei seine singende Ehefrau Martina (zumindest gehe ich dem Namen nach mal davon aus, konkret geschrieben steht es aber nirgends) sowie die Rhythmusfraktion der Thrashcoreband SILENT DECAY namens Stefan Hammer (Bass) und Florian Schönweitz (Drums). Auf den ersten Blick eine etwas merkwürdige Besetzung, aber der umtriebige Gitarrist hat die drei Alben der kürzlich aufgelösten Band aus Süddeutschland produziert, so dass sich daraus wohl eine weitere Zusammenarbeit ergeben hat.
Stilistisch hat sich bei POISON SUN aber ausschließlich Herman Frank durchgesetzt, dessen Handschrift auf dem Album unverkennbar ist. Schon der Einstieg namens "Voodoo" kommt mit einem fetten VICTORY-Groove daher und auch Songs wie "Princess" lassen trotz der moderneren Ausrichtung beim Sound und dem 'anderen' Gesang an die guten "Don't Get Mad... Get Even"-Zeiten denken. Und spätestens beim Stampfer "Hitman" schlägt dann auch die ACCEPT-Vergangenheit (ach ja: und Gegenwart) des Bandleaders durch. Auch die meisten anderen Nummern des abgesehen von einigen ausschweifenden Gitarrenparts äußerst geradlinigen Albums haben die typische germanische Stahlkante vorzuweisen.
Das Überraschendste auf "Virtual Sin" ist dann vielmehr auch die (zumindest stimmlich) bessere Hälfte des Gitarristen. Bisher scheinbar noch nicht großartig als Sängerin in Erscheinung getreten (ich lass mich da aber gerne korrigieren), bereichert diese den Sound des Quartetts mit einer feinen Röhre und verpasst ihm die eigene Note. Mal klingt sie wie beim Opener etwas nach Lee Aaron, insgesamt erweist sie sich aber eher wie eine Mischung aus Jutta Weinhold, wie etwa beim rasanten "Red Necks", und Nina C. Alice von SKEW SISKIN; man höre nur mal den Titelsong. Nur für das Cover hätte die Dame ihr Konterfei vielleicht nicht gerade hergeben müssen, kommt einem durch ihre alberne Pose plus 'Verkleidung' irgendwie der Alternativtitel "Visual Sin" in den, äh, Sinn...
Die personellen Voraussetzungen stimmen bei POISON SUN also so weit, um "Virtual Sin" zu einer rundum famosen Platte zu machen reicht es aber nicht ganz, da sich doch ein paar Füller eingeschlichen haben. Und der Eindruck einer Nebenbei-Produktion ohne langwieriges Songwriting im Bandgefüge will auch nach mehreren Durchläufen nicht so ganz verschwinden. Dazu kommt noch ein stellenweise überzogener, lebloser Sound. Bei "Rider In The Storm" etwa und mehr noch bei einer Nummer wie "Killer" klingt das Schlagzeug beispielsweise schon mal arg klinisch. Der Song gehört aber auch so zu den langweiligen Momenten des Albums. Auch das abgewetzte "Excited" der POINTER SISTERS hätte man sich sparen können. Bei dem KROKUS-ähnlichen "Phobia" gerät das Blut dafür wesentlich besser in Wallungen, der langsame Ausstieg "Forever" hingegen ist dann aber eher wieder von der belanglosen Art.
FAZIT: Ein gut hörbares Debüt mit Licht und Schatten. Der Zehnerpack geht zwar verdammt schnell und kantenfrei ins Ohr, weist dabei aber keine sonderlich große Halbwertszeit auf. "Loyal To None", das letztjährige Album unter dem Herman-Frank-Banner, war da doch erheblich stärker, und die Labelkollegen plus Kollegin von SISTER SIN haben bei ähnlicher Vorgehensweise mit ihrem aktuellen Output die Nase ebenfalls deutlich vorn.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.11.2010
Stefan Hammer
Martina Frank
Herman Frank
Florian Schönweitz
Metal Heaven
44:02
19.11.2010