Zwei Longtracks (elf und 16 Minuten) flankieren einen nur unwesentlich kürzeren Song - Das CD-Demo dieser Franzosen ist ein Kind seiner Zeit und gibt dem Hörer ein Gefühl des musikalischen Klimas in den mittleren bis späten Neunzigern, als Echtmetall erst wieder schätzen gelernt werden musste, während der Underground sich nach wie vor unberührt am niveauvollen Emulieren der (einstigen) Prog-Größen zwischen DREAM THEATER, FATES WARNING und QUEENSRYCHE erging. REGENCY mögen wie die ganzen DIVING HORIZONS oder THE QUIET ROOMS (was ist eigentlich aus einem Label wie Metal Blade geworden?) etwas gesichtslos wirken; schlecht sind beziehungsweise waren sie aber keinesfalls.
"Millenium" aus heutiger Sicht auch nicht sonderlich forschrittlich auf den Jahrhundertwechsel vor: Langes Vorspiel und dann nicht zum Schuss kommen - darin sehen Spötter das Problem vieler Genrebands und haben bis zu einem gewissen Punkt Recht. Andererseits sind REGENCYs Melodien nicht trivial und durchaus anheimelnd, so man sich auf sie einlässt; ein anderes Hörverhalten verbietet sich bei dieser Stilistik ohnehin. "Faith In You" ist minimal kompakter geraten und stellt vor allem den Gesang in den Vordergrund. Der Chorus ragt wie beim Opener nicht hervor, weil REGENCY den Weg als Ziel des Komponierens sehen (oder böse gesagt: sie können keine eingängigen Stücke schreiben) und ihre Tracks demnach wie musikalische Reisen verstehen. Die Stimmungsschwankungen, welche die Musik durchläuft, geben der Gruppe Recht. Dass sie dabei ganz ungekünstelt vorgeht und den Kitsch dessen, was heutzutage so durch die Szene kreucht, außer Acht lässt, macht ihr Kleinod umso empfehlenswerter.
"Winter Suicide" fällt dezent rifflastiger aus und wird von agilen Bassfiguren auf Vordermann gebracht. Das weitgehende Ausbleiben der Vocals fällt nicht tragisch ins Gewicht, da sich Ollivier Guillaume bei aller gesanglichen Klasse keine Mega-Hooks aus den Stimmritzen drückt. In seiner Gesamtheit wirkt das Liedertrio wunderbar unschuldig, fast naiv und heute wie aus der Zeit gefallen, ohne dass deren Zahn sich an REGENCY gütlich getan hätte. Wie bei vielen weitere Preziosen der letzten Dekade des vorigen Jahrhunderts lohnt es sich für Liebhaber, nach dieser Scheibe zu stöbern. Man darf bei der Nachfolgetruppe FIFTY ONE'S (Album "Jealousy") starten; einen Vorläufer zu diesem Demo gibt es ebenfalls, während das einzige Album "Awakening" von 2001 stark an Zeug wie LIQUID TENSION EXPERIMENT angelegt ist und weniger Charme besitzt.
FAZIT: Mittneunziger-Prog - ein Nischengenre für Spezialisten … REGENCY aus Reims konnten sich aus Mangel an Originalität Zeit ihres Bestehens nicht behaupten, gefallen aber mit Hinblick auf ihre unaufgeregten, harmonischen Stücke, welche mit Bedacht gestrickt wurden und folglich vom Inhalt her wie auch rein musikalisch tiefere Beweggründe an den Tag legen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.05.2010
Loïc Bettendorf
Olivier Guillaume
Martial Allart
Kevin Espich
Charles Monzat
Eigenvertrieb
32:59
03.03.1998