Was REMEMBER TWILIGHT als "Kammermusikcore" bezeichnen, ist eine erweiterte Form folkloristisch angehauchter Musik mit punkigen Wurzeln und im Vergleich dazu etwas ausgefeilterer Instrumentalarbeit - ganz zu schweigen natürlich von der größeren Besetzung und damit üppigeren Klangfülle … aber können die Musiker diese auch nutzen, oder blasen sie nur wenig Substanzielles zu vermeintlich tiefgründiger Kunst auf?
Liest man den prätentiösen Text des Openers "Künstler der Dekadenz" (am Ende der Scheibe wieder als unschöner Remix enthalten), neigt man zu einer solchen Einschätzung. Immer wieder lassen gewisse Zeilen die Gesichtszüge des Hörers entgleiten. Sinnsuche ("Ich suche Gott") in allen Ehren, aber an der Oberfläche des oftmals faden Streicher-Riffklampfen-Gebräus schwimmen intellektuelle Ergüsse dieser Couleur eher wie Fliegen in der Suppe. Die in der Versenkung verschwundenen APOKATASTASIA sind musikalisch mit REMEMBER TWILIGHT vergleichbar und geiler, da sie den Schnabel halten, wenn es eben angebracht ist.
Das nervige Pathos bricht sich auf diesem Album an dem wenig ausdruckslosen Brüllgesang, Doublebass-Muskelspielchen und zu gleichförmigen Arrangements - vor allem in der ersten Hälfte. Gerade mit einer solchen Besetzung wäre mehr möglich gewesen als das halbherzige Bekenntnis zur Dynamik in Form der Brecht/Weill-Aufbereitung "Mackie Messer". Wenn die Gruppe die folgenden Songs auch teilweise sachter angeht, versaut der Text das Hörerlebnis … "In the long run, we are all dead" - weiß jeder; muss man das also immer wieder herausbrüllen und somit am Aufbau von Spannung Sabotage betreiben? Gerade hier zieht auch das Argument nicht, dass deutsche Texte ungleich schwieriger ohne Peinlichkeit umsetzbar sind, denn die Phrase wird auch auf Englisch nicht besser.
Natürlich kann die Band immer noch die Ironiekeule auspacken und beteuern, man solle die Texte nicht überbewerten; dennoch stehen die Worte und ihr Vortrag zu stark im Vordergrund, als dass man es übergehen könnte. Im schlimmsten Fall klingen REMEMBER TWILIGHT nach Kneipenrock mit Fiedel, und das kann ihr Anspruch wahrlich nicht sein. Die textlichen Repetitionen sind wie erwähnt einfallslos und deuten darauf hin, dass man den eigenen Hörern wenig "Vernunft" und "Verstand" ("Am Strand - Spuren im Sand") zumisst. Was bleibt also ohne Lyrik? - ein wenig zwingender Mix aus harten Rhythmusgitarren und einigermaßen beflissenen Streicherarrangements. Das ist zu wenig, um nachhaltig zu fesseln, selbst wenn man den Gesang ausblendet und den angemessenen Sound zur Kenntnis nimmt. Markus Stock hat eine anständige Produktion gefahren, dem Songwriting der Gruppe aber nicht auf die Sprünge geholfen.
FAZIT: REMEMBER TWILIGHT schaffen selbst auf die kurze Distanz (die beiden vorletzten Tracks wurden bereits zuvor veröffentlicht) von "Musik über Niedergang & Verderben" hin keinen Zeitvertreib, noch unterfüttern sie ihre hochtrabenden Thesen musikalisch entsprechend ausdruckskräftig. Wem verhältnismäßig simpel gestrickte Musik zwischen Metalgitarren (nicht Metal) und akustischen Instrumenten (nicht Klassik) gefällt (Letzte Instanz lassen grüßen), kann sich vielleicht erwärmen. Den Rest lässt das Ensemble kalt.
Punkte: 5/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.05.2010
Jörg
Timo
Timo, Felix
Ole
Anna, Anne (violin), Florian (oboe), Chriz (cello)
Echozone / Intergroove
37:55
28.05.2010